Wenn alt gewordene Dinge nicht einfach im Müll enden, sondern ganz bewusst ein zweites Leben bekommen, spricht man heute von Upcycling. Anders als beim Recycling üblich, wo Verwertbares erst zertrümmert, zermahlen, eingeschmolzen wird, um aus den zurückgewonnenen Rohstoffen neue Produkte herzustellen, geht es beim Upcycling um Weiterverwendung. Das bedeutet: Altes wird nicht weggeworfen, sondern umgewandelt. Im Vergleich zur Entsorgung wertet man es damit sogar auf oder mit einem englischsprachigen Begriff man up-cycelt es. In den letzten Jahren hat ein regelrechtes Upcyclingfieber um sich gegriffen. Bastler sind davon erfasst, Schüler upcyceln im Werk- und Kunstunterricht, Volkshochschulen bieten Kurse in Upcycling an. Kleinproduzenten entdecken im Upcycling eine Geschäftsidee ebenso wie Konzerne. Und manchmal wird Upcycling sogar zur Kunst.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat ein unmögliches Möbelhaus aus Schweden mit seinen Bausätzen und Regalsystemen die Einrichtungen ganzer Generationen weitgehend gleich aussehen lassen. Heute geht der Trend zum Unterschied. Nicht mehr das zweckmäßige Ikea-Ambiente verzeichnet Zuwächse, sondern gefragt ist was anders ist. Und mit Möbeln aus Müll lässt sich das Zuhause bis zur Unverwechselbarkeit anders ausgestalten.
Statt in Möbelhäusern nach glänzend furnierten nagelneuen Einrichtungen
Ausschau zu halten, werden betagte Bretter gesucht. Menschen, denen es wichtig ist, ihre Wohnbereiche außergewöhnlich zu gestalten, kaufen Upcycling-Möbel aus Altholz.
Schlafzimmer, Wohnungen, Terrassen, Vorgärten sehen immer öfter aus wie die Sammlerecke im Wertstoffhof.
Upcycling: Maibäume zu Kindersitzen
Upcycling ist ein junges Phänomen. Erst seit den 1990er Jahren wird der Begriff verwendet. Und doch findet Upcycling heute schon fast überall statt, sogar auf eher unvermuteten Gebieten wie etwa dem Brauchtum. Der Burschenverein Großberghofen in der oberbayerischen Gemeinde Erdweg hat 2015 einen neuen Maibaum aufgestellt. Der Vorgänger, der schon zwei Jahre das Ortsbild vor dem Wirtshaus beherrscht hatte, wurde von den Burschen in Stücke gesägt. Daraus entstanden rustikale Sitzmöbel. Das weißblau lackierte „Traditionsstangerl“, wie der Maibaum in Bayern liebevoll genannt wird, haben die Burschen solchermaßen upcycelt und einem neuen Kindergarten gestiftet. Brauchtum upcyceln – das hat noch Seltenheitswert. Immerhin können die Nachwuchsburschen (und Dirndln) jetzt schon mal im wahrsten Sinne des Wortes mit ihrem Allerwertesten auf Tuchfühlung mit der Tradition gehen.
Upcycling: Das Dekor des Verfalls wird salonfähig
Upcycling-Möbel aus Altholz sind gekennzeichnet von einem für viele Nicht-Upcycler noch reichlich ungewöhnlichen Dekor – dem Dekor des Verfalls. Das ist eine der herausstechenden Besonderheiten von Upcycling-Objekten und an Möbelstücken zeigt sich besonders anschaulich ihr Charakter: Man richtet sich neu ein mit Dingen, deren Bestandteile uralt sind. Wäre die Einrichtung aus neuem Material gefertigt, könnte sie kaum so viel Aufmerksamkeit erregen und jeder andere könnte sie auch erwerben. Upcycling-Möbel dagegen sind dank ihrer Herstellung aus Gebrauchtmaterial immer einmalige Stücke, die es nirgendwo sonst auf der Welt so noch einmal geben kann. Es sind Unikate aus Resten. Spezialfirmen wie Wood-Art bieten Tische, Kommoden, Schränke, Sideboards an, die nach Auskunft der Verkäufer beispielsweise einst als Balken in antiken Gebäuden gedient hatten. Solchermaßen aus Ruinen auferstandener Hausrat wird für 600 bis 1.200 Euro das Stück verkauft.
Selbst Abfallholz vom Bau dient für Upcycling-Objekte. So bot ein Hersteller bei DaWanda einen Spiegel für 120 Euro an, den er mit rohem Schalungsholz gerahmt hatte.
Upcycling: Kabeltrommeln zu Parkbänken
Besonders beliebt bei Upcyclern sind hölzerne Europaletten. Aus ihnen werden Hocker gezimmert, Tische, ganze Bettlandschaften und Regalsysteme. Aber auch an weit gigantischere Hinterlassenschaften des Hoch- und Tiefbaus wagen sich Upcycling-Freaks heran. Im belgischen Eupen designte das Künstlerkollektiv Microfolies massive Sitzgelegenheiten aus riesigen, tonnenschweren Kabeltrommeln aus Holz. Sie waren ein echter Hingucker beim Eupener Musik Marathon (EMM) Anfang Mai 2015.
Upcycling: Hotelbesteck zu Kleiderhaken
Nachhaltigkeit ist
einer der Grundgedanken des Upcyclings. Ursprünglich wurde sogar Müllvermeidung als wichtiges Merkmal propagiert: Je mehr Produkte wiederverwendet werden, umso weniger Abfall entsteht und ein
umso geringerer Ressourcenverbrauch ist erforderlich. Manchmal gelingt dies beim Upcycling geradezu vorbildlich. Zum Beispiel im Wiener Boutiquehotel Stadthalle Wien. Hier hat man Upcycling so ernst genommen, dass
tatsächlich bei der Raumausstattung wiederverwertbare Produkte eingesetzt wurden, statt Neuanfertigungen für das Interieur einzukaufen.
In Zusammenarbeit mit der Universität für
angewandte Kunst haben die fortschrittlichen Hoteliers sieben Zimmer komplett renoviert und im Upcycling-Stil eingerichtet. In der Selbstdarstellung des Hotels heißt es dazu: „Holzscheite wurden
zu Couchtischen, Bücher zu Nachtkästchen und Zeitungen zu Hockern umfunktioniert. Aus altem Besteck haben wir Kleiderhaken gestaltet, aus Fahrradteilen Garderoben und Regale.“ Kleiderbügel, die
von der Familie und Freunden gesammelt wurden, hat man zu Flurlampen umfunktioniert. Die Nachtkästchen entstanden aus Büchern, die einst in der ehemaligen Bibliothek des Schwiegervaters der
Hotelchefin Michaela Reitterer gestanden hatten.
Auf
ihrer Netzseite gibt die zeitgemäße Herberge sogar Tipps für
Upcycling zu Hause. Der User erfährt, wie er ausgediente Paletten mit wenig Aufwand für den Wohnbereich
wiederverwenden kann.
Upcycling: Banner und Flaggen zu Handtaschen
Upcycling ist nicht auf Möbel oder Einrichtungsgegenstände beschränkt. Es ist eine Mode innerhalb der Nachhaltigkeitsbewegung, die immer mehr Menschen in ihren Bann zieht. So werden zum Beispiel auch Stoffe aus früheren Zweckbestimmungen wiederverwendet. Am Staatstheater Schwerin verarbeitet man Banner und Flaggen zu Handtaschen. Aus alten Werbetransparenten des Theaterfundus fertigt das junge Schweriner Label „Red Rebane“ moderne Unikate für modebewusste Trägerinnen.
Upcycling: Eine Massenbewegung hat weltweit Millionen erfasst
Upcycling
wäre kein echter Trend, wenn seine Idee nicht die Menschen quer durch alle Bevölkerungsschichten wirklich massenhaft infiziert hätte. Bei Google warf der Begriff Anfang Juni 2015 schon über sechs
Millionen (6.400.000) Treffer in Bruchteilen von Sekunden aus. Kein Tag vergeht, an dem nicht Medien regional und international über Upcycling-Ausstellungen, Upcycling-Produzenten,
Upcycling-Künstler berichten würden. Millionen Menschen versuchen sich weltweit darin, aus alten Sachen etwas Neues zu machen
Upcycling: Schokoladenpapier zu Armbändern
Da gibt es richtige Müllverwerter, die aus abgeschnittenen Kondensmilchdosen buntbemalte Töpfchen für Kunstblumen aus Papier herstellen, umwickelt mit Bändchen und Schleifchen. Sie sollen Fensterbänke und Tische, Regale und Badezimmer zieren. Andere schneiden aus Waschmittelflaschen einen Teil aus, um ihn mit Klebeband zu kleinen Körbchen zu formen. Diese dienen dann als Aufbewahrungsbox für Spielsachen oder für irgendwelchen Krimskrams. Wer‘s mag kann nach einer Upcycling-Idee aus Katalogseiten und aus bunter Alufolie, die um Schokoeier gewickelt war, Armbänder machen. Das Papier wird zu kleinen Perlen gerollt, an einer Schnur aufgereiht und um das Handgelenk geschlungen. Dazu passen Schmuckständer aus leeren Klo- oder Küchenpapierrollen.
Auffallend oft dienen auch Jeans als Ausgangsmaterial für Upcycling-Artikel. Aus den festen Stoffresten der alten Röhrenhosen werden Geldbeutel, Schlüsselanhänger und Handtaschen, Umhängebeutel, Partykleidchen und Kinderdecken. Die verwaschenen Farben der Denim-Stoffe eignen sich besonders gut für Kombinationen mit anderen Textilien und ergeben stets ein interessantes Dekor mit hoher Akzeptanz. Jeans hat schließlich jeder, jeder kennt und mag sie.
Beim kreativen Basteln mit Müll wird ein schier unglaublicher Ideenreichtum sichtbar. Omas Porzellan- und Emaille-Nachttöpfe feiern als Bowlengefäße und Blumenübertöpfe fröhliche Urständ. Obstkisten beginnen ein zweites Leben als Regale, Krawatten werden zu Handyetuis verarbeitet, und ganze Schulklassen falten gewaschene Tetrapacks zu Geldbörsen.
Da baut ein Mensch aus Bayern einen alten Plattenspieler aus den 1980er Jahren zu einer Wanduhr um. Der Originalstecker dient als Aufhängung. Ein anderer kam auf die Idee, die Vinyl-Langspielplatte einer Mozart-Aufnahme mit zwei Zeigern und einem Batterieantrieb zu versehen. Auch sie soll künftig als Uhr an der Wand hängen.
Auf dem
Online-Marktplatz „just different“ wurde im Mai ein ausgefallener Tisch angeboten, bei dem ein Holzsurfbrett, wetterfest lackiert als Platte und ein gekippter
Stuhl als Untergestell dient. Das Upcyclingmöbel ist für drinnen und draußen geeignet, mit Sicherheit ein Hingucker und natürlich einmalig.
Upcycling: Paddel zu Treppengeländern - Paletten als Kräuterständer
In der Upcycling-Szene ist fast nichts
unmöglich. Die Hauptsache ist in den meisten Fällen ein ausgefallenes Dekor. Statt fließbandmäßiger Neuproduktion aus Fabriken und Werkstätten reizt die Käufer das Unikat vom Bastlertisch. Flugs
werden gebrauchte Marmeladengläser mit Rohrschellen auf ein Abfallbrett aus Treibholz geklemmt und fertig sind Kräutertöpfchen für die Küche, platzsparend untergebracht. Eine besonders hübsche
Idee: die Euro-Kräuter-Palette von Ninchen, Indigo
Autumn. Ideen gehen den Upcyclern nicht aus. Ausrangierte Paddel werden zu Treppengeländern verschraubt, Fahrradschläuche zu Handtaschen geflochten und verblichene T-Shirts zu Teppichen
verknüpft.
Upcycling: PET-Flaschen zu Gewächshäusern
Ein
besonders findiger PET-Flaschen-Sammler hat sich aus 1.400 leeren 2-Liter-Pullen ein Gewächshaus gebaut. Im Netz verrät er den Bauplan und gibt
Tipps für Nachahmer. Zur Begründung für den Bau einer solchen Pflanzenherberge aus Kunststoffflaschen gibt er an: „Sein Gewächshaus aus Plastikflaschen zu errichten hat viele Vorteile. Nicht nur,
dass die Materialkosten geringer sind als bei einem Fertigkauf (Plastikflaschen hat schließlich jeder daheim), das Plastikflaschen-Gewächshaus ist zudem leicht zu reparieren und lässt das zur
Bewässerung besonders geeignete Regenwasser in geringen Mengen hindurch, sodass die Pflanzen wie von selbst gegossen werden. Außerdem schonen Sie mit dem Bau eines eigenen Gewächshauses aus
Plastikflaschen die Umwelt.
Upcycling: Eine Industrie ist entstanden
Jeden Tag werden weltweit unvorstellbare Massen an Gütern erzeugt. In etwa die gleiche Menge wird von der Wegwerfgesellschaft als Müll entsorgt. Nachdem Upcyclingprodukte immer gefragter werden, ist eine eigene Industrie dafür im Entstehen. Neben Bastlern und Hobbydesignern nehmen sich längst eigens gegründete Firmen des Mülls an und vermarkten ihn. Der Kommerzialisierungsgrad innerhalb der Upcycling-Bewegung hat bereits beachtliche Ausmaße angenommen. Offenbar ist längst auch für die gewerbsmäßige Herstellung und den Vertrieb von Upcyclingprodukten ein Markt vorhanden. Die Stiftung Warentest hat untersucht, „wie die Textilbranche aus Plastikmüll und Altkleidern Neues macht“. Dabei werden auch Fertigungsketten und Konzerne vorgestellt, die das Upcycling für ihre Zwecke entdeckt haben. Von gemeinnützigen Sammlern übernimmt man Alttextilien und arbeitet sie zu neuer Kleidung auf. In dem Beitrag wird die Wienerin Cloed Baumgartner (Firma Milch) zitiert. Sie sagt: „Altkleidung ist ein riesiges Business“, es sei aber schwierig, an gute Rohware zu kommen. Das Gesammelte lasse sich oft nur zu Unikaten verarbeiten. Kollektionen für den Massenmarkt seien kaum möglich. Das bedeute: Günstiges Material, aber teure Produktion. Damit gibt sich die Branche wohl auf Dauer nicht zufrieden. Gewinnverlockungen machen erfinderisch.
So hat zum Beispiel das Berliner Label aluc eine wesentlich kostengünstigere Produktionsweise für sich entdeckt: Es kauft übriggebliebene oder wegen Fehlern aussortierte Stoffbahnen aus Textilproduktionen. So braucht man keine Arbeitskräfte für das Auftrennen von Altkleidung. Die nahezu neuwertigen Tuche werden zum Teil in gewagten Kombinationen und Designs vernäht. Sie sehen schrill aus, sind aber natürlich nicht die typischen Upcycling-Klamotten aus Altkleidern. Aber die Methode verspricht wohl ein florierendes Geschäft.
Ein finnisches Unternehmen namens Globe Hope produziert Damen- und Herrenbekleidung vor allem aus ausrangierten Armeetextilien, wie
Zeltabdeckungen, Uniformen, Säcken und Fallschirmen. Lieferant ist neben der finnischen Armee auch die Bundeswehr. Hier entstehen sogar Serien für einen größeren Markt.
Upcycling: Auch Fake-Produkte drängen auf den Markt
Mit dem Trend zu Upcycling versuchen auch bloße Upcycling-Nachahmer Geschäfte
zu machen: Mit Fake-Upcycling. Sie kopieren kreative Einfälle von Bastlern und Hobbykünstlern. Mit angeblichen Altgegenständen, die in Wahrheit aus neuen Produktionen stammen, werden Plagiate
erstellt. Da gibt es Taschen und Kleidung, die keineswegs aus den Abdeckungen abgewrackter Armeelaster stammen, sondern von eigens für die Fake-Upcycler gelieferten neuen Lkw-Planen. Sogar die
Idee mit Schallplatten-Uhren wird schon gefakt: statt alter Vinylplatten produzieren die Nachahmer Uhren einfach mit neuen Schallplatten und verkaufen sie entsprechend billig. So wird Upcycling
ad absurdum geführt.
Upcycling: Manches Zweitleben währt nur kurz
Bei aller Kreativität und allem guten Willen vieler Upcycler lässt sich andererseits auch nicht übersehen, dass so manche Erzeugnisse aus Müll vermutlich nur ein kurzes Zweitleben haben werden. Hauptsache Müll – das wird schnell zur Attitüde, zur Mode, viele möchten hier aufspringen. Hauptsache aus Schrott – Hauptsache anders, Hauptsache schrill. Unikate dürfen schrill sein, schreibt eine Upcycling-Bloggerin. Doch Armbänder aus Papierkügelchen oder skurrile Sonnen aus Fahrradspeichen gebogen, sind wohl eher Müllzwischenlager als Produkte mit einem höherem Wert. Was allzu schrill ist und allzu billig, dürfte auf Dauer nicht die Liebe seiner Besitzer behalten. Auch Europaletten als knallharte Bettuntergestelle mögen frisch gebeizt oder gestrichen noch so farbenfroh daherkommen, spätestens wenn seine Besitzer das Rebellenalter hinter sich gelassen und Hormone gegen Pfunde eingetauscht haben, dürfte die Liebe zur Paletten-Liege erkalten.
Upcycling - Kreativität, die zur Kunst wird
Dass jemand sein ausgedientes Automobil 25 Zentimeter oberhalb des Kühlergrills in der Horizontale glatt absägt, ist kaum zu erwarten. Wenn er es täte und dann noch eine Platte darüberlegen und das Ganze zu einem Billardtisch ausbauen würde, dürfte ihm allergrößte Aufmerksamkeit zuteilwerden. Das wäre ein echter Upcycling-Hit: Auto abgesägt und damit ausrangiert - aber aufgewertet zu einem immobilen Spielgerät mit Pfiff. Allerdings ist das bislang unter privaten Autobesitzern keine verbreitete Upcycling-Idee.
Auf der „Retro-Classics-Messe für Liebhaber automobiler Legenden und Oldtimer“, die Ende März 2015 in den Stuttgarter Messehallen stattfand, konnte man aber schon bestaunen, wie diese Idee verwirklicht aussieht. Die Firma Busch Billards aus Kirchdorf bei München zeigte eine solche Auto-Billardtisch-Variante: Ein roter 1965er Ford Mustang (Gewicht: 454 Kilo) stand da ohne Motor und Lenkung, aber mit einer Poolbillard-Spielfläche in der Größe 8 Fuß (2,24 Meter x 1,12 Meter, Höhe 89 Zentimeter) abgedeckt und bestaunt von den Besuchern. Chromleisten an den Seiten, verchromte Stoßstangen vorne und hinten, voll funktionsfähige Original-Scheinwerfer, Ford-Schriftzug an der Motorhaube, Mustang-Logo im Kühlergrill, Bereifung auf Echtmetallfelgen. Laut Busch Billards wird das berühmte Pony-Car als Fiberglas-Nachbau der Karosserie mit Ford-Originalteilen in Handarbeit gefertigt. Kostenpunkt: 16.699,00 Euro zuzüglich Versand. Das komplette Billardzubehör ist im Lieferumfang enthalten: zwei einteilige Queues, Kugeln, ein Dreieck sowie Kreide.
Der Pony-Car-Billard-Tisch ist zwar kein klassisches Upcycling-Produkt, aber er demonstriert die Idee äußerst eindrucksvoll. In dieser Richtung gibt es schon eine Reihe weiterer grandioser Einfälle. Deren Kreativität bewegt sich in Richtung Kunstwerk – auch wenn die Nutzung als origineller Einrichtungsgegenstand noch im Vordergrund steht.
Da gibt es Designer, die Badewannen mit Füßen zu Kanapees umwandeln, indem sie eine Längsseite entfernen und den Wannenboden zur Sitzfläche aufpolstern. Das Berliner Unternehmen Upcycling Deluxe hat seit 2010 ein Sortiment von mehr als 1.500 Upcycling-Produkten auf die Beine gestellt, in dem nach Angaben der Jungunternehmer etwa 50 Designer ihre Ideen verwirklichen. Ihr Motto: „Einfälle statt Abfälle“. So wurde vom Hamburger Designer Lockengelöt ein Schranktyp aus alten Ölfässern kreiert. Als Material dienen dem Unternehmen zufolge „Fässer, die nicht ganz dicht sind“. So werde aus einer Fehlproduktion im Hamburger Hafen eine Lockengelötproduktion in St. Pauli. So ein Schrank könne schon mal leichte Kratzer aufweisen. Aber insgesamt schaut das Produkt sehr proper aus. Es ist eben kein gebrauchtes Ölfass und so gesehen auch nicht typisch Upcycling, aber schon beinahe.
Die TrashDesignManufaktur Wien fertigt aus gebrauchten Elektro- und Elektronik-Altgeräten Möbel, Accessoires und Schmuck. Zum Beispiel Wanduhren mit verschiedenfarbigen Leiterplatten als Zifferblatt - Armreifen aus Trocknertrommelblech (Edelstahl) mit Flachbandkabel in verschiedenen Farbkombinationen - Stehtische aus drei Waschmaschinentrommeln übereinander mit Glasplatte - Notizbücher mit 5,25" Disketten als Umschlag.
Objekte aus upcycelten Gebrauchsgegenständen, die rein künstlerische Ansprüche erfüllen und nicht zum Gebrauch bestimmt sind, gibt es indes schon seit langem.
Sogar große Meister wie Pablo Picasso sind unter den Upcyling-Künstlern vertreten. Das berühmteste Beispiel ist der von ihm aus einem Fahrradlenker und einem Sattel arrangierte Stierkopf aus dem Jahr 1942. Damals sprach man allerdings noch nicht von Upcycling, sondern von Readymade.
Dieser ebenfalls aus dem Englischen stammende Begriff heißt nichts anderes „fertig gemacht“, eigentlich müsste man sogar sagen „fertig vorgefunden“. Bei den Readymades erhebt der Künstler durch seine Wahl Alltagsgegenstände zum Kunstwerk. Die Objekte bleiben so gut wie unbearbeitet. Picasso ordnete Lenker und Sattel so raffiniert an, dass der Betrachter heute noch verblüfft davorsteht, egal ob er die Original-Fundstücke betrachtet oder den späteren Bronzeabguss.
Das Beispiel Picasso zeigt: Upcycling wurde von Künstlern erfunden. Am Anfang stand die Aufwertung und Umwertung von Alltagsgegenständen durch entsprechende Präsentation zur Kunst. Dazu in Folge 2 mehr. Zum Beispiel wie das Fahrrad in dieser Kunstrichtung einen ganz besonderen Stellenwert bekam. Und wie auch heute Künstler mit Fahrradteilen eindrucksvolle Kunstwerke herstellen. Dazu: Der Einfluss dieser frühen Upcycling-Kunst auf Pop-Art bis hin zu deren großen Berühmtheiten wie Andy Warhol.
Die weiteren Beiträge zum Thema:
Upcycling 5: Die Faszination des Untoten
Upcycling 4: Wenn die Erde selbst upcycelt
Upcycling 3: Land Art - Gestaltung der Erde zum Kunstwerk
Upcycling 2: Wie Alltagsprodukte zu Kunst werden
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Martin Lutze (Dienstag, 15 März 2016 11:31)
Die Beiträge über Upcycling sind sehr informativ und inspirierend. Da ich selber Upcycler bin, hat's Spaß gemacht
Grüße aus Fürstenfeldbruck, Obb.
Martin Lutze
ML Upcycling Licht
Martin Lutze (Freitag, 14 Oktober 2016 14:04)
Upcycling Leuchten aus schönem Schrott und hübschen Fundstücken.