Keltische Baumkreise: Was bedeuten sie? Woher kommen sie? Und wie passen sie in unsere Zeit?

Baumkreis Vils/Tirol
Keltischer Baumkreis mit Labyrinth in Vils/Tirol. Foto Stadtgemeinde Vils.

Das Volk der Kelten hat zwischen dem Jahr 800 und dem Jahr 15 vor der Zeitrechnung mit seiner Kultur Europa und weite Teile Eurasiens fast ein Jahrtausend lang geprägt. In Sprache, Musik und Sagen lebt vieles von ihnen fort, auch wenn sie kaum etwas anderes hinterlassen haben als Fundstücke. Schriftliche Überlieferungen gibt es nur durch antike Schreiber.

Zur Zeit ihrer weitesten Verbreitung erstreckte sich das Siedlungsgebiet der Kelten von Spanien bis in die Türkei, von Italien bis Skandinavien und auf die britischen Inseln. Zu den Kelten zählt man über 400 einzelne Stämme. Die Kelten haben niemals ein eigenes Reich besessen, und dennoch ist ihre Kultur bis zum heutigen Tag in ganz Mitteleuropa gegenwärtig.

Neue Baumkreise: Es ist durchaus möglich, dass es in unserer Zeit mehr keltische Baumkreise gibt als zur Zeit der Kelten vor 2.000 Jahren.

Die Kelten hatten, ebenso wie die Germanen, eine intensive Beziehung zu Bäumen und Wäldern. Ob sie Baumkreise angepflanzt haben, wie wir sie heute kennen, wissen wir nicht. Es ist durchaus möglich, dass es in unserer Zeit mehr keltische Baumkreise gibt als zur Zeit der Kelten vor 2.000 Jahren. Baumpflanzungen hinterlassen in aller Regel keine verwertbaren archäologischen Spuren. Aber es gibt Berichte zeitgenössischer Geschichtsschreiber, die über die keltische Verehrung „Heiliger Bäume“ und „Heiliger Haine“ berichten. Die Kelten nannten die Haine „Nemetom“, was „das Geweihte“ bedeutet.

 

Der römische Feldherr Gaius Julius Cäsar berichtet, vor der Schlacht von Alesia (Burgund) im Spätsommer 52 v. d. Ztr., in der er mit seinem Heer die Kelten unter ihrem Führer, dem Fürsten Vercingetorix vernichtend schlug, hätten sich seine Gegner in einem solchen Hain versammelt.

 

Die tiefe Beziehung der Kelten zu den Bäumen, den mächtigsten Landlebewesen der Erde, ist durch solche und ähnliche Berichte belegt. Aber auch durch später aufgeschriebene keltische Bräuche, Sitten und Gesetze. Baumfrevel an heiligen Bäumen wurde zum Beispiel hart bestraft. Zu diesen heiligen Bäumen gehörten an erster Stelle die Eiche, aber auch der Apfelbaum, die Birke, die Erle, die Weide und die Hasel.

 

Die Versammlungen der keltischen Druiden, die als Priester über die Religion der Stämme wachten und die Keltenwelt im Innersten zusammenhielten, fanden in den Heiligen Hainen statt. Vom Namen der Eiche, auf keltisch „dru“, ist das Wort Druide abgeleitet. Die keltischen Priester, die Druiden, waren die „Eichenkundigen“. Auch Personennamen zeigen, wie sehr Kelten und Baumwesen verbunden waren. So bedeutet beispielsweise Mac Cuill „Sohn der Hasel“ und Dar Chairtinn „Tochter der Eberesche“. Mac Daro ist der „Sohn der Eiche“. 

Neue Baumkreise: Woher die keltischen Baumkreise kommen

Im Naturpark
Keltisches Baumhoroskop - Keltischer Baumkreis: Schautafel am Wirchensee, Naturpark Schlaubetal, Brandenburg. Foto: M. Rzadkowski.

Warum also sollten die Kelten bei so viel Baumverehrung nicht auch Baumkreise gepflanzt haben, wie das heute noch oder wieder üblich ist? Es wäre doch durchaus naheliegend. Allerdings gibt es dafür, dass man diese Baumkreise als „Baumkalender“ oder „Baumhoroskope“ genutzt hat, keine gesicherte Überlieferung.

 

Die Interpretation von Baumkreisen als eine Form des Horoskops geht auf die französische Journalistin Paul Delsol zurück. Für die Frauenzeitschrift „Marie Claire“ hat sie 1971 ein „Keltisches Baumhoroskop“ entwickelt. Der eigentliche Ursprung eines solchen keltischen Baumhoroskops ist jedoch ein Buch des englischen Schriftstellers Robert Graves. Er hatte in seinem 1948 herausgekommenen Werk mit dem Titel „The White Goddess“ unter Zuhilfenahme des altirischen Ogam-Alphabets einen Baumkalender entwickelt. Dabei ordnete er den Schriftzeichen jeweils einen bestimmten Baum zu. Das Buch erschien 1981 unter dem Titel „Die weiße Göttin“ auch auf Deutsch.

 

Eine ganze Reihe weiterer Autoren beschäftigte sich in der folgenden Zeit mit dem „Baumorakel“ bzw. dem „Baumhoroskop“ der Kelten. Die bekanntesten Veröffentlichungen sind inzwischen die von Michael Vescoli. Sie tragen Titel wie „Keltischer Baumkreis“ und „Der Keltische Baumkalender“.

 

Nach Vescoli teilt dieser Baumkalender als ein Baumkreis „das Jahr nicht in Wochen und Monate ein, sondern in 40 Zeitabschnitte, denen 22 bestimmte Bäume zugeordnet sind.“ Zu jedem der Bäume gehört eine Zeitspanne in der ersten Jahreshälfte und eine weitere Zeitspanne in der zweiten Jahreshälfte. Vescoli: „Darin findet jeder Mensch seinem Geburtsdatum entsprechend einen bestimmten Baum, der zu ihm passt und sein Wesen beschreibt.“

 

Dass jedem Baum zwei Zeitspannen im Jahr zugeteilt sind, hat mit dem Sonnenjahr zu tun. Im aufsteigenden Jahr liegt jeweils die erste Periode, die zweite im absteigenden Sonnenjahr. Beide Perioden liegen sich genau gegenüber. Beim Ahorn beispielsweise heißt die erste Zeitspanne 11. bis 20. April und die zweite 14. bis 23. Oktober. In diesen beiden Zeiträumen kommen die „Ahorngeborenen“ zur Welt.

 

Vier Bäume machen eine Ausnahme. Sie stehen für die Jahreszeiten und sind daher nur dem jeweiligen Beginn derselben zugeordnet. Die Buche steht für den Winteranfang am 22. Dezember, die Eiche für den Frühlingsanfang am 21.März, die Birke markiert das Fest der Sommersonnenwende am 24. Juni und der Olivenbaum den Herbstbeginn am 23. September.

 

Die 22 Bäume haben - den Tierkreiszeichen der Astrologie ähnlich - bestimmte „Eigenschaften und Besonderheiten“, die sich „im Charakter des jeweiligen - zu dieser Zeit geborenen - Menschen widerspiegeln“, schreibt der Autor.

 

Eine übersichtliche und sehr verständliche Darstellung verbreitet die Netzseite „horoskop.at – meine welt der astrologie“. „Suchen Sie Ihr Geburtsdatum in der Baumliste und finden Sie heraus, welcher Baum Sie sind“, heißt es dazu in der Anleitung. 

Neue Baumkreise: Die uralte Beziehung zwischen Menschen und Bäumen

Labyrinth im Vilser Baumkreis
Zugang zum Labyrinth iim keltischen Baumkreis Vils/Tiro. Foto Stadtgemeinde Vils.
Baumkreis Vils/Tirol
Junger Baumkreis in Vils/Tirol. Tafeln erklären die Baumwesen. Foto Stadtgemeinde Vils.

Zwischen Menschen und Bäumen gibt es eine uralte Beziehung. Menschen suchen Schutz unter Bäumen. In ihrer Rinde verewigen sie ihre Sehnsüchte. Sie pflanzen Hausbäume, wenn ihr Heim fertiggeworden ist. Es ist außerdem alter Brauch, für jedes Kind, das ihnen geboren wird, einen Baum zu pflanzen. So gut wie jeder Mensch hat ohnehin seinen Lieblingsbaum. Und so ist es kein Wunder, dass auch Baumkreise eine ganz besondere Anziehungskraft auf Menschen ausüben. Sie wirken geheimnisvoll, mystisch und schlagen Besucher regelrecht in ihren Bann.

 

In einem Artikel von Ingeborg Kunze im „Reutlinger Generalanzeiger“ vom 16. April 2005 heißt es anlässlich der Vollendung des keltischen Baumkreises in der Gemeinde Wald (Landkreis Sigmaringen) , der Mensch solle „lernen was ‚baumgemachte Lebensqualität‘ ist: saubere Luft, Luftfeuchtigkeit, Lebensraum für Vögel und Pilze, Blüten, Blätter, Früchte, Öle, Harze, Baumaterial Holz.“ Die Autorin stellt in ihrem Beitrag Ralf Kreutner vor, den Initiator dieses Baumkreises. Er beschreibt den Baum als einen „ruhenden Gegenpol in der technisierten hektischen Welt, einen Verlangsamer, Entschleuniger“ in unserer davoneilenden Zeit. 

Neue Baumkreise: Bäume sind Persönlichkeiten

Bäume sind Persönlichkeiten. So heißt es in einem Porträt vom Wesen des Apfelbaums, das einem Baumamulett beigelegt wird: “Ein Apfelbaum ist stets ein Charakterbaum. Das gilt jedenfalls dann, wenn er nicht in der Plantage stehen muss, sondern auf Streuobstwiesen, als Einzelbaum in der Flur, am Waldrand oder mitten im Feld aufwachsen darf, wo er sich so entfalten kann, wie es seine Art ist. [...] Er trägt eine wuschelige Krone. Ein Apfelbaum ist längst nicht so hochaufragend und beherrschend wie etwa die Eiche, sondern wirkt eher verschmitzt, hintersinnig, versponnen mit seinem krausen Kopf. Aber erst wenn er blüht, ist wirklich Frühling.“

 

Menschen fühlen sich zu Bäumen hingezogen, entwickeln eine Sympathie für sie, die meistens ein ganzes Leben lang anhält. Sie sind angetan von ihren Eigenschaften, vielleicht identifizieren sie sich gar damit: mit der Beständigkeit, der Verlässlichkeit, der unbeirrbaren Kraft, die einen Baum auszeichnen. Mit seiner festen Verwurzelung und Bodenständigkeit. Mit seiner Treue gewissermaßen.

 

Bäume gehören zu den größten Lebewesen auf Erden und sie haben mit ihren Wurzeln und der Sauerstoffproduktion – zusammen mit den Cyanobakterien der Ozeane - den Planeten in hunderten von Millionen Jahren für Menschen überhaupt erst bewohnbar gemacht. In fast allen Kulturen gelten sie auch als Sitz der Götter.

Neue Baumkreise: Magische Anpflanzungen mit neuzeitlicher Deutung

Baumkreise drücken die Verehrung aus, die Menschen für Bäume empfinden, auch in unserer Zeit – damit stehen wir hinter dem Volk der Kelten nicht zurück. Ganz selbstverständlich legen Gemeinden Baumkreise an, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Die Bedeutung, die diesen magischen Anpflanzungen beigemessen wird, ist oft erstaunlich neuzeitlich.

 

Und auch wenn Bäume einmal nicht im Kreis stehen, werden innige Baumbeziehungen auf ganz natürliche Weise gepflegt. Ein Beispiel dafür sind Gedenkpflanzungen im oberfränkischen Coburg. Dort gibt es einen sogenannten Regenbogenwald, in dem Mütter und Väter ihrer verstorbenen Kinder gedenken. Eine Selbsthilfegruppe „Verwaiste Eltern“ hat diesen kleinen Wald angelegt. Kastanienbaum und Winterlinde, Bergahorn, Rotbuche und Vogelkirsche stehen für verunglückte und früh verstorbene Kinder in diesem Wald. Unter die schützenden Wurzeln der Gedenkbäume betten Hinterbliebene besonders liebgewonnene Andenken wie Briefe, Bilder und Lieblingsarmbänder.

 

Nicht weit davon entstand mit einem wunderbaren Blick auf den Coburger Goldbergsee, ein „Hochzeitswald“. Hier pflanzen frisch verheiratete Paare gemeinsam einen Baum, im Gedenken an das Jawort, das sie sich gegeben haben. Eine Handlung mit großer Symbolkraft. Die Bäume wachsen mit der Ehe mit und sollen auch gemeinsames, wachsendes Glück ausdrücken. Auch Jubilare setzen noch Jungpflanzen ihres Lebens- und Lieblingsbaumes nach 40, 50, 60 Jahren Ehe in den Waldboden, zum Zeichen ihrer gewachsenen Verbindung.

 

Mensch und Baum wollen vielfach auch im Tod zusammenbleiben. Die Zahl derjenigen, die sich einen Baum aussuchen, unter dem sie dereinst begraben werden möchten, nimmt sehr stark zu. „Friedwälder“ oder „Ruheforste“ werden die naturnahen Begräbnisstätten genannt. Der Baum, unter dem man begraben sein möchte, wird zu Lebzeiten bestimmt und im Laufe des gesamten Lebens gepflegt und besucht. 

Neue Baumkreise: Baumamulette vom Lieblingsbaum

Immer mehr Menschen drücken die innige Verbindung mit ihrem Lebens- und Lieblingsbaum auch durch ein Baumamulett aus, das aus dessen Holz angefertigt ist. So entstehen Holzschmuck-Anhänger mit einem ganz persönlichen Charakter, die zudem noch individuell gestaltet sind. Menschen können auf diese Weise ihren Lieblingsbaum immer bei sich tragen. Baumamulette sind Baumschmuck und Talisman in einem. Sie sollen die Kraft und die Magie der Bäume weitergeben, von denen sie kommen. Diese Holzamulette sind Glückszeichen ein ganzes Leben lang. Mensch und Baum finden hier persönlich zueinander. Auf diesen Naturschmuck aus dem Bäume-Amulett-Shop, auf die Baumschmuck-Anhänger von ihren Lieblingsbäumen, vertrauen viele Menschen, nicht nur Sympathisanten des keltischen Baumkreises. 

Neue Baumkreise: Immer mehr Frauen pflanzen Baumkreise

Es fällt auf, dass sich für Baumkreise neuerdings immer mehr Frauen engagieren. Die Vorsitzende des Landschaftsbeirats der Stadt Remscheid, Gabriele Lipka zum Beispiel hat die Idee, ihre Stadt zu begrünen und dafür auch einen Baumkreis anzulegen. Im Interview mit WagnersAusblick erklärt sie die Bedeutung, die ein solcher Baumkreis für sie hat, auf zeitgemäße Weise: „Die Kelten nutzten den Baumkreis u. a. als Jahreskalender und bezogen ihn auf 22 Baumarten. Einige dieser Bäume, z.B. Olive und Feige würden unser rauhes Klima nicht überstehen. Meine Einstellung ist, nicht dogmatisch vorzugehen und auch offen für andere Bäume zu sein.“

 

Gabriele Lipka favorisiert anstelle von Feige und Olive den zur Jahrtausendwende als „Baum des Jahres“ und „Baum des Jahrtausends“ gekürten Ginko. Sie sagt: „ Der Gingko ist meines Erachtens mit seiner Überlebensfähigkeit und Heilkraft für unsere Zeit wichtig.“ – So wird der neue Baumkreis in Remscheid wohl neben Eiche, Buche und Birke auch den Ginkobaum in seinem Rund haben.

 

Tief im deutschen Südwesten, auf der Schwäbischen Alb, errichtet eine andere starke Frau gleich neun Baumkreise. Susanne Goebel, Leiterin der städtischen Museen von Albstadt, lässt für jeden der neun Albstädter Stadtteile einen eigenen Baumkreis anpflanzen. Der erste ist schon eingewurzelt, der zweite in Planung. Im nahegelegenen Skulpturenfeld erinnern „Keltische Hügelgräber“ an frühe Formen von Besiedlung in diesem Gebiet. 

Neue Baumkreise: Die Pflanzung von Baumkreisen ist absolut modern

Die Baumkreise von Albstadt sollen im Innern noch zwei Steinkreise beherbergen und aus jeweils neun Bäumen bestehen. Damit symbolisieren sie die neun Teile Albstadts. Jeder der Baumkreise bildet eine in sich geschlossene, harmonische Einheit, so wie es die Stadtteile von Albstadt ebenfalls tun sollten, sagt Susanne Goebel. Sie erklärt zur Symbolik, die damit verbunden ist: „In diesem Eins-Sein potenzieren sich die Kräfte. Die Bäume wachsen, sie wachsen auch zusammen und bilden ein gemeinsames Großes.“

 

Auch hier zeigt sich, dass Baumkreise mehr sind, als Relikte aus grauer Vorzeit. Die Liebe zum Baum lebt. Die Symbolik der im magischen Rund wachsenden und verwurzelten Bäume zieht auch in unserer Zeit neue Kreise.

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Kommentare: 2
  • #1

    Karsten Wagner (Sonntag, 29 November 2015 22:00)

    Das trifft sich ja gut, von Wagner zu Wagner :-). Ich bin ebenfalls an der Geschichte der Kelten sehr Interessiert. Auf meiner Webseite http://keltischesymbole.de findet man alles rund um die Symbolik der Kelten. VG Kawa

  • #2

    Hans Wagner (Samstag, 13 Februar 2016 22:33)

    @Karsten Wagner: Vielen Dank für Ihren Kommentar, für den Besuch auf meiner Seite WagnersAusblick.de und einen ganz herzlichen Gruß. Inzwischen war ich auch auf Ihrer Seite und habe mich gefreut, dass die Kelten auch bei Ihnen weiterleben.
    Beste Grüße
    Hans Wagner