Wenn Bäume leiden, eilen Menschen ihnen zu Hilfe. Als in diesem Sommer schwere Unwetter im Westen Deutschlands viele der grünen Riesen verletzt und umgestürzt hatten, spendeten spontan Tausende Bürger Geld, damit in Parks, Gärten und Wäldern wieder Bäume angepflanzt werden können. Bäume, so zeigt sich, sind unter allen Pflanzen diejenigen, die am meisten Emotionen auslösen. Dazu gehört auch, dass nahezu jeder Deutsche einen Baum kennt, den er als seinen Lieblingsbaum bezeichnet. (Im Bäume-Amulett-Shop wird dem Rechnung getragen. Sie können Ihren Lieblingsbaum immer bei sich tragen).
In einer für WagnersAusblick.de von der Blog-Redaktion durchgeführten Umfrage gaben sogar 100 Prozent der kontaktierten Personen an, einen Lieblingsbaum zu haben. Auf die Frage welchen Baum sie am meisten mögen antworteten 96 Personen. Die Befragung hatte also nach demoskopischen Maßstäben zwar keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung zum Gegenstand, aber es ist die neueste Umfrage überhaupt, und sie liefert sehr interessante Ergebnisse. Lieblingsbaum der Befragten ist mit 17 Nennungen die Buche, gefolgt von der Eiche mit 14. Auf Platz 3 folgt der Apfelbaum mit 12, die Birke erreicht mit 11 Nennungen Platz vier und die Linde hat 9 Mal den Zuschlag bekommen und ist Fünfte. In der Beliebtheitsskala folgen: Platz 6 Ahorn und Kastanie mit je 6 Nennungen, 7. Pappel (5), 8. Flieder (4), 9. Kirsche und Olive mit je 3, 10. sind Ginko und Kiefer mit je 2 und auf Platz 11 rangieren Nussbaum und Zitronenbaum mit je 1 Nennung. Keinen Lieblingsbaum zu haben sagte niemand.
Baum und Mensch: Das letzte Mal hatten Meinungsforscher vor 15 Jahren nach Lieblingsbäumen gefragt
Die Liebe der Deutschen zum Baum war das letzte Mal vor 15 Jahren durch eine repräsentative Meinungsumfrage verifiziert worden. Auch damals gaben über 90 Prozent der Deutschen an, einen Lieblingsbaum zu haben. Nur neun Prozent sagten, sie hätten keinen bestimmten Baumliebling. Zu Letzteren gehören Menschen, die Bäume grundsätzlich so sehr mögen, dass sie sich nicht auf einen einzigen Baum kaprizieren möchten. Daneben gibt es auch noch ein paar andere, denen Bäume letztlich nicht so viel bedeuten, als dass sie einem von ihnen den Vorzug geben würden. Aber das ist eine verschwindende Minderheit.
Die damaligen Zahlen stammen aus einer Allensbach-Umfrage des Jahres 1999. Befragt wurden zweitausend Deutsche ab 16 Jahren. Seither wurde diese Frage „leider nicht mehr gestellt“, wie Dr. Anke Engelhardt vom Demoskopieinstitut bedauernd mitteilte. Das war einer der Gründe für die Umfrage durch WagnersAusblick.de. Vor allem waren wir neugierig drauf, ob sich inzwischen auch andere Bäume als Favoriten etablieren konnten, die damals noch nicht dabei waren. Einen Versuch war es wert.
Baum und Mensch: Die Eiche hatte früher den Spitzenplatz
„Sieger“, das heißt beliebtester Baum der Deutschen war damals vor 15 Jahren die Eiche. 20 Prozent aller Befragten nannten sie als ihren Lieblingsbaum. Die Allensbach-Umfrage war – ebenso wie die jüngste Befragung durch WagnersAusblick.de - eine „offene Frage, d.h. die Interviewpartner erhielten keine Antwortvorgaben“, erklärt Anke Engelhardt. Auf Platz zwei kam seinerzeit mit zehn Prozent die Birke, ebenfalls zehn Prozent bezeichneten die Kastanie als ihren Lieblingsbaum. Auf den weiteren Plätzen folgten: Tanne/Fichte mit neun Prozent, Linde mit sieben, Buche mit sechs, Kirschbaum ebenfalls mit sechs, Apfelbaum mit fünf, Weide mit drei und Palme mit zwei Prozent. Kein bestimmter Baum sagten neun Prozent. Alle sonstigen Baumnennungen zusammen erzielten zehn Prozent, wobei jede einzelne Baumart weniger als ein Prozent Zuspruch bekam, weshalb sie von den Demoskopen wie üblich bei Umfragen unter „Sonstige“ verzeichnet wurden.
In der Umfrage für WagnersAusblick.de ist die Buche der beliebteste Baum
Auch wenn unsere Umfrage nicht als repräsentativ gelten kann, so ist dennoch zu erkennen, dass sich am Zuspruch zu Bäumen etwas verändert. Auffallend ist zum Beispiel, dass Tanne und Fichte unter all den 96 Teilnehmern der Umfrage von WagnersAusblick.de nicht ein einziger genannt hat. Vielleicht liegt es an der Jahreszeit – die Allensbach-Umfrage fand damals kurz vor Weihnachten im düsteren November statt, während unsere im heißen Sommer des Jahres 2014 gestartet wurde.
Aber es gibt noch andere bemerkenswerte Abweichungen nach 15 Jahren: Nicht mehr die Eiche ist Nummer eins der deutschen Lieblingsbäume, sondern die Buche, die bei Allensbach noch auf Rang sechs lag. Die Buche wäre der Baum, der Mitteleuropa dominieren würde, wenn nicht der Mensch durch Kultivierung eingegriffen hätte. Vielleicht liegt es daran, dass die Buche so in der Beliebtheit gestiegen ist. Denn die jüngste bundesweite Befragung zum Naturbewusstsein in Deutschland hat ergeben, dass die Menschen auf Wildnis stehen. Vier von fünf Personen wünschen sich, dass Wildnis in Deutschland für Menschen immer mehr zugänglich wird. – Und die Buche ist der Baum der europäischen Wildnis.
Baum und Mensch: Auch Exoten unter den Bäumen werden von den Deutschen geliebt
Mit Olive, Ginko und Zitrone sind in der Umfrage von WagnersAusblick.de drei echte Exoten dazugekommen. Olive und Zitrone gehören auf der Sympathieskala zu denen, die sozusagen einen Migrationshintergrund haben und meist Urlaubsbekanntschaften sein dürften, denn sie sind eigentlich nicht heimisch in unseren Breiten. Und der Ginko-Baum ist derart selten, dass es verwundert, ihn als Lieblingsbaum von Deutschen genannt zu bekommen. Der Baum ist ursprünglich in China beheimatet, aber seit Jahrhunderten auch in geringer Zahl weltweit verbreitet. Durch den deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat er hierzulande sogar einige Berühmtheit erfahren. Ein Exemplar im Heidelberger Schlossgarten soll Treffpunkt für ihn und seine Geliebte gewesen sein. Über das Ginkoblatt schrieb Goethe ein Gedicht („Ginkgo Biloba. Dieses Baumes Blatt...“). Neuerdings versprechen Ginkopräparate die Erhaltung einer besseren Hirnleistung im Alter und suggerieren einen gewissen Schutz vor Demenz. Außerdem wurde zum Jahrtausendwechsel der Ginkobaum vom deutschen „Kuratorium Baum des Jahres“ zum Symbol und Mahnmal für Umweltschutz und Frieden erklärt und als Baum des Jahrtausends ausgerufen. Dadurch erlangte er natürlich eine gewisse Popularität, die sich vielleicht auch in unserer Umfrage niedergeschlagen hat.
Große Emotionen zwischen Baum und Mensch
Deutsche haben ein Herz für Bäume, das hat sich in der neuesten Umfrage wieder einmal bestätigt. Im Gegensatz zu der Allensbach-Umfrage von 1999 ist das auch aus vielen Antworten der Teilnehmer an unserer Befragung zu entnehmen. Während Allensbach nur die nüchternen Zahlen registrierte, haben unsere Umfrage-Teilnehmer zum Teil auch ihre Emotionen bekannt, die sie mit Ihrem Lieblingsbaum verbinden.
Von einer Einsenderin erhielt die Buche den Zuschlag, weil bei ihr ein besonderes Exemplar als „Generationenbuche“ im eigenen Wald steht: mehrere Vorfahren haben sich in ihrer Rinde verewigt. Ein männlicher Teilnehmer liebt seine Buche ganz besonders, seit er sie als kleines Pflänzchen aus der Heimat mitgebracht und in seinen Garten gepflanzt hat. Dort ist sie inzwischen zu einem stattlichen und vielbewunderten Baum herangewachsen, seinem Lieblingsbaum.
Wer eine finnische Mutter hat und in der Jugend finnische Birkenwälder erleben konnte, wird sie wohl nie vergessen. So hat ein junger Mann seine Liebe zu den weißen Stämmen und den wehenden Mähnen der Sandbirken erklärt – seinen Lieblingsbäumen. Sie sind viel besungen und in ihrer jugendlichen Anmut, die sich besonders in jedem Frühling von neuem zeigt, hat sie viele Freunde und Verehrer, was der Birke insgesamt den vierten Platz unter den Lieblingsbäumen bei unserer Umfrage beschert.
„Ich bin ein hoffnungsloser Romantiker“, schreibt uns ein Mann in gesetztem Alter „und welcher Baum ist romantischer als eine Linde, in deren Geäst einst sogar die Jugend getanzt hat. Sie ist mein Lieblingsbaum.“
Ein Walnussbaum im Garten, der Südtiroler Wurzeln hat, ist der Lieblingsbaum einer ganzen Familie. Der Vater hatte einst die Tiroler Nuss in seiner Jackentasche nach Hause gebracht und im Garten in den Boden gesteckt, wo sie offenbar zu einem Prachtexemplar herangewachsen ist, unter der heute gerne die Nachkommen sitzen.
Weit vorne (Platz drei) rangiert in unserer Umfrage auch der Apfelbaum. Eine Teilnehmerin begründet, warum gerade dieser Baum ihr Lieblingsbaum ist: „Weil ich seine Blüten so fantastisch schön finde!“
Die Kiefer wurde von einer jungen Frau zum Lieblingsbaum erkoren, „weil sie so phantastisch riecht“. Olivenbäume haben bei einer jungen Dame tatsächlich selige Erinnerungen an Urlaube konserviert und wurden auch angesichts des „Nachgeschmacks an damals“ zu ihren Lieblingsbäumen.
Baum und Mensch: Keinen Lieblingsbaum zu haben geht gar nicht
So haben praktische alle Deutschen aus den unterschiedlichsten Gründen einen Lieblingsbaum. Keinen zu haben, das geht offenbar gar nicht. Damit leben sie im Einklang mit großen Gestalten ihrer Kultur. Vom Dichter Hermann Hesse gibt es ein Buch mit dem Titel „Bäume – Betrachtungen und Gedichte“. Und das ist keineswegs die einzige Quelle für die Liebe des Schriftstellers zu den hochgewachsenen Erdenbewohnern rings um uns. In „Weg nach Innen, Wanderung“, das 1973 im Suhrkamp Verlag erschienen ist, drückt Hesse seine Verehrung so aus:
„Bäume sind Heiligtümer.
Wer mit ihnen zu sprechen,
wer ihnen zuzuhören weiß
der erfährt die Wahrheit.
Sie predigen nicht Lehren und Rezepte,
sie predigen, um das Einzelne unbekümmert,
das Urgesetz des Lebens.“
Vom Kirchenreformator Martin Luther ist das Bekenntnis überliefert, wenn er wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde er heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen. Goethe, von dem schon die Rede war, sprach mit Bäumen, wie es bis heute auch viele andere Baumliebhaber tun. Und einmal schrieb er seinen lieben Bäumen zum Abschied sogar ein Gedicht:
„Lebet wohl,
geliebte Bäume!
Wachset in die Himmelsluft.
Tausend liebevolle Träume,
schlingen sich durch euren Duft.
Doch was steh ich und verweile?
Wie so schwer,
so bang ist's mir?
Ja, ich gehe!
Ja, ich eile!
Aber, ach!
mein Herz bleibt hier."
Am radikalsten hat wohl Ludwig van Beethoven seine Liebe zu den Bäumen offenbart. Von dem großen, leidenschaftlichen und oft unglücklichen Komponisten, der für viele Deutsche der größte von allen ist, wurde das Zitat überliefert: „Ein Baum ist mir lieber als ein Mensch.“
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