Wikingergräber: Was ihre Bestattungskulte über die Nordmänner erzählen

Grabhügel Gamla Uppsala
Hügelgräber von Gamla Uppsala. Die drei großen Anhäufungen werden schon seit langem nach den am Ort verehrten Göttern als Freyr-, Thor- und Odins-Hügel bezeichnet. Foto: OlofE

An ihren Gräbern sollt ihr sie erkennen: Die Wikinger haben keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen, doch Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte in ehemaligen Siedlungen der Nordmänner ermöglichen ein immer besseres Verständnis ihrer paganen Religion und Kultpraxis. Im Katalogtext der großen Ausstellung „Odin, Thor und Freyja bei den Wikingern“ des Archäologischen Museums Frankfurt/M. heißt es dazu: „Kultausübung war eng mit Adelsherrschaft verschränkt. Schon seit der Zeitenwende besaßen die großen Herrensitze und Residenzen eigene Kultareale mit Tempelbauten, in denen die zentralen Opfer vollzogen wurden. Die ‚Fürsten‘  fungierten gleichzeitig als herrschaftliche Grundherren und als Kultleiter.“

In der Ankündigung eines begleitenden Vortrags zu diesem Thema schreibt Prof. Dr. Egon Wamers: „Keinen Platz des alten Nordens umranken so geheimnisvolle und blutig-schaurige Berichte wie Gamla Uppsala im Herzen Schwedens. Laut Adam von Bremens Kirchengeschichte (um 1075) hatte hier das sagenumwobene Königsgeschlecht der Svea einen goldenen Tempel errichtet, in dem die Statuen von Thor, Odin und Freyr verehrt wurden.“

 

Alle neun Jahre sollen, der Erzählung des christlichen Chronisten Adam von Bremen zufolge, während einer gemeinsamen Feier in einem Hain zahlreiche Lebewesen geopfert worden sein: Hunde, Pferde und auch Menschen.

 

Hier, im mittelschwedischen Mälarsee-Gebiet hat man auch die neuesten Erkenntnisse anhand von Ausgrabungen zutage gefördert, wie Wamers, Direktor des Archäologischen Museums Frankfurt, Frühmittelalter-Archäologe und Skandinavist, berichtet. 

 

Die Wikinger selbst haben nichts von ihrer Geschichte aufgeschrieben. Es gibt nur einige Runensteine mit persönlichen Gedenkinschriften und geheimnisvollen Botschaften, die  trotz Christianisierung die Zeiten überdauern konnten. Was christliche Schreiber in ihren Schilderungen wiedergeben, sind leider oft die einzigen schriftlichen Zeugnisse der nordischen Vergangenheit. Diese „Überlieferungen“ sind allerdings aus  naheliegenden Gründen nur bedingt aussagekräftig: Ihre Verfasser waren ja die Gegner der nordischen Götter, Missionare und Bekehrer. Sie haben nichts unversucht gelassen, Odin und die Götter des Nordens aus dem Gedächtnis des Volkes zu löschen, sie umzudeuten oder sie herabzuwürdigen.

 

Bootgrab Sutton Hoo
Das berühmte Bootgrab unter dem Monumentalhügel von Sutton Hoo in East Anglia, prachtvoll ausgestattet nach Wikinger-Art. Foto: Gernot Keller.

Umso verdienstvoller ist die große Ausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt, die in Zusammenarbeit mit dem Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen noch bis 06. Juni 2017 zu sehen ist. Denn hier lassen die bei den Grabungen gemachten Funde die Welt der Wikinger  anhand von Fakten lebendig werden. 

Bootbestattungen unter großen Hügeln

In der Mitte des 6. Jahrhunderts tritt demnach im mittelschwedischen Mälarsee-Gebiet eine neue Form von aristokratischen Kriegergräbern auf. Die bedeutendsten dieser prunkvollen Körperbestattungen in großen Booten und von Hügeln überwölbt liegen in Vendel und Valsgärde, etwa 80 -110 km nördlich von Stockholm.

 

Prof. Wamers sagt über jene Orte, an denen nunmehr seit Jahrzehnten gegraben wird: „Für diese beiden Bestattungsplätze ist bezeichnend, dass sie nahe dem Kult- und Herrschaftszentrum Gamla Uppsala gelegen sind, dem mutmaßlichen Königssitz des wikingerzeitlichen Sveareiches: Von hier aus nach Norden sich wendend gelangte man in einer knappen Stunde nach Valsgärde und in einem Tag nach Vendel – sowohl zu Fuß wie mit dem Boot flussaufwärts. Diese [...] Kriegergräber des Umlandes können nicht ohne das Zentrum Gamla Uppsala gesehen werden. Doch wer waren die hier beigesetzten Männer? ‚Warlords‘ oder Gefolgsleute eines ‚Königs‘, der in Mittelschweden ein neues Reich geschaffen hatte?“ 

 

In Gamla Uppsala gibt es drei Monumentalhügel mit einem Durchmesser von 55 bis 75 Metern und einer Höhe von sieben bis elf Metern. In unmittelbarer Umgebung haben die Archäologen noch zehn mittelgroße Hügel und weitere 700-800 kleine Grabhügel registriert. Daraus lassen sich nach Berechnungen der Forscher mehrere tausend Bestattungen herleiten. Die drei großen Anhäufungen werden schon seit langem nach den am Ort verehrten Göttern als Freyr-, Thor-, Odins-Hügel bezeichnet. Die Großhügel haben „königlichen Charakter“, so die Wissenschaftler. Sie wurden etwa zwischen 550-650 errichtet, parallel zu großen Hallengebäuden auf terrassiertem Gelände, worauf sich auch der Ortsname bezieht: „Gamla“ heißt alt,  „Upp-sala“ , wird mit „Halle auf der Höhe“ übersetzt. Prof. Wamers: „Gamla Uppsala war also offenkundig eine zentrale, planvoll angelegte Residenz mit Hofwerkstätten und monumentalem Bestattungsareal.“ 

 

Grabmal Theoderich
Germanische Herrschergräber (Tumuli, Hügelbestattungen) an Wasserwegen. Grabmal des Theoderich († 526) an der adriatischen Küste bei Ravenna.(Archäologisches Museum FfM).

In seinem Vortrag beschreibt Wamers die berühmten Bootgräber von Valsgärde und Vendel:

„An diesen beiden Orten liegen die ‚fürstlichen‘ Bootbestattungen von etwa 570-750, die auf größeren und schon mehrere Jahrhunderte zuvor und nachher belegten Friedhöfen mit vorwiegend Brandbestattungen errichtet wurden. Es sind überhügelte Körpergräber in einem Boot mit extrem reicher Ausstattung, die – mehr oder weniger gleichzeitig mit den „königlichen“ Uppsala-Brandgrab-Hügeln – scheinbar ohne Vorläufer „plötzlich“ in Uppland auftreten.“ 

 

Die Grabhügel liegen in enger Wassernähe und waren wegen ihrer exponierten Lage den zu Wasser wie zu Land Reisenden weithin sichtbar.  Dies sei ein bekanntes Phänomen zahlreicher Mausoleen der Vor- und Frühgeschichte, wie etwa das germanische Königsgrab von Mušov an der Thaya (um 200) oder das Theoderichgrab (526) an der Adriaküste anschaulich zeigten.

Die mittelschwedischen Bootgräber sind nach Erkenntnissen der Archäologen keinesfalls die Begräbnisstätte des gemeinen Volkes, sondern ein „Separatfriedhof für eine sehr kleine Militärelite“. Statt der üblicherweise in Brandgräberfeldern bestatteten Bevölkerung wurden die Angehörigen dieser Elite „unverbrannt mit sehr reichen Beigaben und in einem Boot“ beigesetzt. Wamers: „Die Grabboote von Vendel – wie auch die von Valsgärde – sind sechs bis acht Meter, selten mehr als zehn Meter lang. Sie waren für die sicher intensiv betriebene Binnen- sowie für die küstennahe Schifffahrt mit Personen- und Gütertransport sehr gut geeignet, aber kaum für den Hochseeverkehr bis zu den Ost- und Südküsten der Ostsee.“ (Die besegelten Hochseeschiffe der Wikinger hatten eine Länge bis zu 35 Metern.)

Gräber mit Waffen und fürstlicher Bankettausstattung

Axtkämpfer
Motiv auf Wikinger-Prunkhelm: Axtkämpfer gegen Untier (Archäologisches Museum FfM).

Wie so ein Bootsgrab im Innern aussah, konnte durch die jüngsten Ausgrabungen an mehreren Beispielen in allen Details gezeigt werden. Das von Erde überhäufte Boot war demnach an vielen Fundstätten vor der Aufschüttung mit Birkenrinde abgedeckt worden. In seinem Innern lag auf Kissen gebettet ein Krieger, neben ihm die Bewaffnung. Sie bestand z. B. aus zwei Spathen (zweischneidiges germanisches Schwert), aus Lanze, Prunkhelm, Gürtel- und Zaumzeugbeschlägen, Eisnägeln  u. a. m. In manchen Bootgräbern hatte man über den Toten mehrere reich verzierte Schilde gebreitet.

Es sollte den verstorbenen Kriegern an nichts fehlen. So gab es im Vorschiff eine regelrechte Bankettausstattung. Dazu gehörten Schlachtaxt, Bratspieß, Fleischgabel, Kochtopf, Bratrost, Eimer für Bier/Met und Trinkgefäße. Die Fleischbeigaben stammten von Schwein, Rind und Schaf. Auch eine Jagdausrüstung war für alle Fälle mitgegeben, dazu gehörten Jagdhunde, Greifvögel, Pfeile und Saufeder. Sogar für die Zerstreuung des Toten war gesorgt. Man gab ihm  ein Brettspiel mit ins Bootgrab, was wiederum die fürstliche Abkunft nahelegt. Auch Arbeitsgerät wie Schere oder Schleifstein, Grobschmiede-Werkzeug u. v. a. m. gehörten zu den Beigaben im Bootgrab. Außerhalb der Boote wurden zahlreiche geopferte Tiere niedergelegt: mehrere Pferde, z. T. mit reichem Zaumzeug, Widder, Rind, Schaf und Eber.

Begräbnisschiffe – ausgestattet zur Fahrt in der Anderwelt

Zur Platzierung der Begräbnis-Schiffe erläutert Prof. Wamers: „Dass diese Boote in exponierter Lage unmittelbar an den damaligen Wasserverkehrsstraßen Mittelschwedens – praktisch „bereit zum Auslaufen“ - liegen, kann ganz banal bedeuten, dass die das gesamte diesseitige Leben spiegelnde Grabausstattung auch das wichtigste Fortbewegungsmittel mit umfasste, also die gesamte Lebenswelt reflektierte - das Boot kann aber auch als symbolisches Gefährt für die Fahrt in oder durch eine Jenseits- oder Anderwelt gedacht worden sein.“

 

Dass man an solche Fahrten dachte, darauf könnten nach Wamers auch die obligatorischen Eisnägel für Menschen und Pferde hinweisen. Dabei handelt es sich um Hufnägel mit eingeschlagenem Zusatzstiften, die wie Spikes wirken, so dass die Nagelköpfe auf Eis besser greifen. Es sei aber unwahrscheinlich, dass alle Beisetzungen im tiefsten vereisten Winter stattfanden. Deshalb wären sie wohl symbolisch gedacht gewesen. Vielleicht mussten gefahrvolle eisglatte Wege in der Anderwelt zurückgelegt werden. Bekannt sei der schreckliche „Fimbulwinter“ aus der altnordischen, wikingerzeitlichen Endzeitmythologie, der auch mit Ragnarök, dem Untergang der Götter gleichgesetzt würde.

 

Die skandinavischen Nordmänner exportierten offenbar ihre Sitte der Bootgräberbestattung zeitweilig auch in benachbarte Länder. Jedenfalls gibt es eine erstaunliche Parallele zu den reichen uppländischen Bootgräbern auch in England, in der archäologischen Ausgrabungsstätte Sutton Hoo, nahe der ostenglischen Stadt Woodbridge. Dieses berühmte Bootgrab unter dem Monumentalhügel von Sutton Hoo in dem als East Anglia bezeichneten Gebiet, wird in der Forschung durchweg dem ostanglischen König Rædwald (593-624) zugeschrieben. Es entstand lange vor der eigentlichen Wikingerzeit, die nach allgemeiner Auffassung mit dem Angriff der Nordmänner auf das Inselkloster Lindisfarne (8. Juni 793) vor der Nordost-Küste Englands (Grafschaft Northumberland) begann.

 

Das Bootgrab von Sutton Hoo datiert viel früher. Es weist fürstliche Beigaben wie in den schwedischen Upplandgräbern auf, nur von einer noch extrem reicheren Qualität. Prof. Wamers: „Die frappante weitgehende Übereinstimmung mit den schwedischen Bootgräbern, einschließlich des Waffenschmucks, eines Brettspiels, einer Bankettaxt“ [...} belegt eine enge Beziehung zum uppländischen Sveareich. Das unbesegelte Schiff von Sutton Hoo hatte allerdings mit 27 Metern Länge „königliche“ Ausmaße wie die späteren Wikingerschiffe; über das Flüsschen Deben (das bei  bei Sutton Hoo verläuft) bestand ebenfalls symbolischer Zugang des Grabschiffes zum Meer (Nordsee).“ 

 

Da es im angelsächsischen England keine eigene Tradition von Boot- oder Schiffgräbern gab, zeigt sich in dieser Bestattungssitte offenkundig ein auf East Anglia räumlich eng begrenzter und auch nur etwa zwei Generationen fortwirkender skandinavischer Einfluss. 

Die Panzerreiter in den Gräbern von Vendel und Valsgärde

Über die „internationale“ Bedeutung und Verflechtung der nordischen Krieger mit anderen Regionen und Heeren geben die Gräber von Vendel und Valsgärde auch durch weitere Details Zeugnis. So gehörten bei dort bestatteten Kämpfern Ringketten- und Lamellenpanzer zur Schutzbewaffnung, so dass die Krieger von Kopf bis Fuß in Eisen gehüllt waren. In Valsgärde und einigen Vendelgräbern haben sich zudem Reste von Bein- und Armschienen-Panzerung erhalten.

 

Diese „eisenvermummten uppländischen Krieger zu Ross, bei denen nur die Augen frei blieben“, entsprachen Prof. Wamers zufolge „der Aufmachung der Clibanarii, der schwerbewaffneten persischen Panzerreiter, deren Rüstung und Kampfesweise das Muster für die seit dem 4. Jahrhundert aufgebaute römische Reiterei mit ihren Kataphrakten und Clibanarier-Einheiten waren. Sie bildeten bis zum 6. Jh. das Rückgrat der römischen Armee...“ (Kataphrakten und Clibanarier waren schwergepanzerte Reiter – Panzerreiter – nach dem Vorbild vor allem der Kavallerie iranischer Parther und der Sarmaten).  

 

Panzerreiter
Panzerreiter: Sassanidischer (persischer) Kataphrakt des 3. Jahrhunderts n. Ztr. mit Pferdepanzerung – nachgestellt und nachgebildet. (Foto: John Tremelling).

Solche Panzerreiter werden in Pressblech-Bildern auf den Helmen der Vendel-/Valsgärde-Gräber dargestellt. Sie sind den Experten zufolge immer noch nicht zufriedenstellend ikonographisch entschlüsselt. Nach Prof. Wamers ist allerdings „eine Entstehung der nordischen Reiter-Kampf-Bilder ohne das Vorbild der (spät-)römischen und byzantinischen Reiterdarstellungen bzw. der Panzerreiter schwer vorstellbar.“

Auf Leben und Tod – mit ungewissem Ausgang

Auffallend sei, dass die nordische Szenographie „keinen eindeutig siegreichen Kampf“ zeige, sondern eher „einen auf Leben und Tod, dessen Ausgang ungewiss ist.“ Wamers führt zu dieser geheimnisvollen Beobachtung weiter aus, das  „könnte die Verbildlichung eines mythologischen Kampfes sein – vielleicht eine Episode aus einem unbekannten nordischen Heroen-Mythos, der mit spätantiken Bildformeln visualisiert wurde.“ - Geheimnisvolle Wikinger-Welt, in der sich vielleicht uralte Mythen aus viel länger zurückliegenden Zeiten noch einmal widerspiegeln.

 

Valsgärde selbst war nach Einschätzung der Archäologen ein größerer Herrensitz für zwei Familien und mit dazugehörigem Bestattungsareal. Die Dominanz bewaffneter Männer jedoch deute auf eine militärische Funktion des Gesamtplatzes, und das über vier Jahrhunderte

Autonome Kriegsfürsten oder Vasallen des Königs?

Die Ausgrabungen der mittelschwedischen Bootgräber geben aber weiterhin so manches Rätsel auf: Waren die Herrschaftssitze Zentren für die Eisengewinnung? Wurde hier Pferdezucht in großem Stil betrieben? War die erkennbare Elitenbildung Ursache oder Folge von herausragendem wirtschaftlichem Profit aus der Eisen- und Jagdwirtschaft?

 

Prof. Wamers wirft weitere Fragen auf: Waren diese Panzerreiter  mit ihrer männerbündischen Selbststilisierung und der geradezu provokanten Selbstdemonstration einer Kriegerkaste mit neuem Totenkult, neuer Bewaffnung etc. autonome Kriegsfürsten (Warlords) oder lediglich Gefolgsleute (Vasallen) des uppländischen Svea-Königs, dessen militärische Macht sich auf jene martialisch gerüsteten Krieger gründete?

 

Letztlich bleibe die genauere Herkunft der Krieger-Eliten im schwedischen Uppland im Dunkeln. Wamers: „In Bewaffnung, Rüstung und Bildsymbolik zeichnen sich enge Beziehungen zum oströmischen Raum, zum langobardischen Oberitalien und ins alamannische Südwestdeutschland wie auch zum Königsgrab von Sutton Hoo ab.“ 

 

In seinem Vortrag resümiert Wamers: „Die reichen Bootgräber von Vendel und Valsgärde und nicht weniger die Herren von Gamla Uppsala spiegeln eine Kriegerelite, die auf der Basis von intensiven Erfahrungen im östlichen Mittelmeerraum ein besonderes Krieger-Selbstverständnis und -Ethos ausbildete. Zu diesem Kriegerethos gehörten ein auf spätrömisch-byzantinische Militär- und Gladiatoren-Traditionen aufbauender Waffenkult samt Elementen von dingsymbolischem Gefolgschaftswesen (Ringschwerter, Bildhelme).“

Eine neue Beziehung zum Tod – Heroisierung des Kriegertums

In der Übernahme der kontinentalgermanischen Körperbestattung mit reichen Beigaben drücke sich eine neue Beziehung zum Tod aus, vielleicht gar eine Heroisierung des Kriegertums aus. Manches deute darauf, dass diese nordische Kriegerelite an hoher Position im Süden gedient hatte, als Clinanarier/Kataphrakten und vermutlich in der Leibwache eines Herrschers, so wie seit den Anfängen römischen Kaisertums über die germanischen Leibwächter Justinians bis zur Warägergarde der byzantinischen Kaiser des 10.-12. Jahrhunderts. 

 

In den Norden zurückgekehrt habe sich auf der Basis von Reichtum, Macht und Erfahrung eine neue stirps regia (Königtum, Königsfamilie) geformt. Dieses neue Königtum habe seine Legitimität aus einem überregional verbindlichen archaisierenden Gemeinschaftskult bezogen, den es überall ausführte. Zelebriert worden sei dieser Kult in einer Kette monumentaler Grabhügel. 

Kriegerethos als Ausdruck einer „überseeischen Herkunft“?

Zwischen der Königshalle (Aula regia) und der Gräberkette hätten die Herrscher ein künstlich angelegtes Thing-Plateau  platziert. Darin sei die „Absicht einer sakralen Fundierung der Herrschaft“ zu erkennen.

 

Die neue Militäraristokratie habe auf altskandinavische Traditionen und religiöse Vorstellungen zurückgegriffen: Zum einen habe man sich im Boot bestatten lassen, dem alten Symbol des Fruchtbarkeitsgottes Nerthus/Freyr - vielleicht auch als Ausdruck einer  „überseeischen“ Herkunft. 

 

Die schon länger praktizierten Tieropfer im Grabkult habe man fortgeführt und intensiviert. Andererseits würden sich die Kulte aber durch die kontinentale Körperbestattung von den alten Sitten abheben, ein neues Kriegerethos demonstrierend. Und dies habe sicherlich unter der Regie und Förderung eines „Oberkönigs“ in Gamla Uppsala stattgefunden. Es sei naheliegend, dass der Königssitz Gamla Uppsala die nördlich gelegenen „Militärstützpunkte“ Valsgärde und Vendel unmittelbar dominiert habe. 

Die Zeugen aus den Gräbern

Das gesamte Gebiet erscheine als eine langgestreckte „Innovationslandschaft“ mit einer Konzentration von militärischer und wirtschaftlicher Macht sowie mit einem religiös-kultischen Zentrum. Diese „Innovationslandschaft“ habe Zugang zur offenen See gehabt und sei andererseits vor Zugriffen von See aus leicht zu schützen gewesen. 

 

In Gamla Uppsala, im mittelschwedischen Mälarsee-Gebiet,  sind die Wikinger als Zeugen quasi aus ihren Gräbern auferstanden. Hier wurden  die neuesten Erkenntnisse über ihre Götter anhand von Ausgrabungen zutage gefördert. Die Fakten belegen, dass in Gamla Uppsala die sakrale Funktion der Wikinger-Herrschaft  im Zentrum gestanden hat. Hier, im Herzen Schwedens ist daher auch der Platz des alten Nordens, der durch seine geheimnisvollen Funde am meisten zur Erinnerung an die alten Mythen beiträgt. Prof. Wamers sieht in den Bootgräbern und dem damit verbundenen Krieger-Ethos schließlich sogar den Beginn einer "Neuen Ära": "Selbst wenn am Ende der Vendel-/Merowingerzeit (gegen 680 n. Ztr.) keine reichen Krieger-Bootgräber in Uppland mehr angelegt werden, dürfte die Kriegerelite mit ihrem Ethos und Selbstverständnis, die auf männerbündischem Waffenkult, Seekriegertum, Opferreligion und internationalen Kontakten beruhten, das Substrat gebildet haben für die wenige Generationen später (Ab 793) aufbrechende Wikingerzeit."