Die alten Götter im Norden: Odin, Thor und Freyja bei den Wikingern

Katalogtitel
Titelseite des Ausstellungskatalogs mit Thorshammer-Amulett, Freyja-Anhänger und Odins-Maske. Bild: Archäologisches Museum

Vor der Christianisierung gab es im Norden weder den Begriff der Sünde, noch eine göttliche Allmacht, die angebetet werden musste. Der Dualismus des Christentums war den religiösen Bräuchen skandinavischer Völker wie den Wikingern fremd. Ein Gott, nicht von dieser Welt, sondern unsichtbar im Jenseits angesiedelt, ein Gott „im Himmel“, der keinen anderen neben sich duldete, und unten der sündige Mensch, diese Teilung in oben und unten stand im Gegensatz zur Weltsicht der Nordmänner. Ihre Götter waren Götter „zum Anfassen“. Sie lebten mit ihnen in einer Einheit. Diese Götterwelt im Norden und das Gemeinschaftsleben vor Einführung der dualistischen Jenseitsreligion weist faszinierende, teils noch unbekannte Züge auf und wird gerade von modernen Nichtchristen wiederentdeckt. Wie die Götter bei den Wikingern lebten, welche Rolle Odin, Thor und Freyja  für sie spielten, zeigt eine Sonderausstellung des Archäologischen Museums Frankfurt vom 11. Februar bis 06. Juni 2017. 

 

Sie sind die bekanntesten Göttergestalten des Nordens: Odin (bei anderen germanischen Völkern heißt er Wotan), Thor und Freyja. Odin, der Göttervater zeugte mit der Erdgöttin Jörd (dänisch Jörð) den Sohn Thor, der bei den kontinentalen germanischen Völkern Donar, der Donnergott heißt. Odins Gemahlin Freyja (altnordisch „Herrin“) ist die Göttin der Liebe und der Familie. 

In Wahrheit haben die Wikinger das Christentum stets verachtet

In der Frankfurter Ausstellung stehen diese drei Göttergestalten im Mittelpunkt. Gezeigt wird, wie in der Spätzeit der alten Religiosität, etwa ab 500 n. d. Ztr. die Königshöfe Mittelpunkt der Kulthandlungen waren. In dieser Ära, kurz bevor dann den Nordleuten durch die  Christianisierung ihre alten Gottheiten weggenommen wurden, regelten Odin, Thor und Freyja den Alltag, die Beziehungen zu den Ahnen und das gesellschaftliche Leben der Wikingergemeinschaft. „Erst mit der Taufe des Dänenkönigs Harald Gormsson (‚Blauzahn‘ – Bedeutung des Beinamens unklar) um 965 durch den römisch-deutschen Kaiser Otto I. begann sich das Christentum im Norden weitgehend durchzusetzen“, heißt es in der Abhandlung „Christianisierung – Missionierung“ des Ausstellungskatalogs.  

 

In Wahrheit hatten die Wikinger das Christentum stets verachtet, wenn sie damit in Berührung gekommen waren. So mancher Nachfahre der alten Geschlechter dürfte sich bis heute nicht völlig mit der fremden Christenreligion abgefunden oder gar angefreundet haben.

Die alten Götter wurden nicht angebetet. Man versuchte,  sich ganz praktisch ihrer Hilfe zu versichern.

Odinskopf
Odinskopf 12. -13. Jh. n. d. Ztr., Fundort Gamlebyen (Oslo), Historisk Museum Oslo. Foto Hermann Junghans.

Die alten Götter der Wikinger waren keineswegs „allmächtig“, wie der ihnen durch die Missionierung verordnete Christengott, der ja auch den Beinamen „der Allmächtige“ trägt.  Die alten Götter wurden auch nicht angebetet. Man versuchte,  sich ganz praktisch ihrer Hilfe zu versichern. Dafür wurden Opfer – meist Tieropfer – dargebracht. Aber die Verantwortung für alle ihre Taten trugen die Menschen vor der Christianisierung stets selbst. In der Edda heißt es dazu: „Von der Achsel dir schiebe, was übel dir scheint, und richte dich selbst nach dir selber.“ 

 

Odin ist vielgestaltig. Er ist der Hauptgott der Edda-Mythologie, die in Island aufgeschrieben wurde, zum Teil aber bis auf Mythen der uralten Schwarzmeer-Hochkultur (bis zur Flut von 7500v. d. Ztr.) zurückgeht. Odin wird die Entdeckung der Runen zugeschrieben. In der Wikingerzeit ist er Gott des Krieges und der Krieger (Attribut: Speer), der die Gefallenen in Walhall empfängt. Odin gilt als Gott der Weisheit, Ekstase, Dichtkunst, Zauberei und Magie. 

 

Das geheimnisvolle Wesen des Göttervaters Odin

Odin-Maske
Odin-Maske (Amulett) aus Tissø. Bild: Archäologisches Museum.

Dies alles, und seine Fähigkeit, in andere Welten zu schauen, Tiergestalt anzunehmen, sowie seine Begleittiere (das achtbeinige Ross Sleipnir und die zwei Seher-Raben Hugin und Munin) belegten eine samisch-schamanische Wurzel von Odins Wesen, heißt es im Ausstellungskatalog. Wobei der Siedlungsraum des kleinen Volkes der Samen interessanter Weise bis in die Ukraine und damit bis an die Gestade des Schwarzen Meeres reicht, so dass auch die Gestalt Odins eine Berührung oder gar ihre Herkunft in der Schwarzmeer-Hochkultur haben könnte. Auch wenn die Edda auf Island niedergeschrieben wurde, ist die Herkunft der Mythologie aus dem Schwarzmeerraum wahrscheinlich. Nach der großen Flut von 7500 v. d. Ztr., der zerstörerischen „Sintflut“, sind die Träger dieser Kultur einst immer weiter nach Norden gewandert. 

 

Für seine Weisheit opferte Odin einst die Hälfte seines Sehvermögens. Das kam so: der Göttervater besuchte Mimir, ein Wesen der nordischen Mythologie, das eine der Quellen unter dem Weltenbaum Yggdrasil hütet. Odin bat um einen Schluck des Quellwassers, das Erkenntnis, Wissen und Weisheit verleihen würde. Dafür verlangte Mimir eines seiner Augen – Odin legte schließlich auf Geheiß Mimirs sein rechtes Auge in die Quelle. Daher wird der Göttervater einäugig dargestellt.

Odin und die heilige Zahl neun

Odin hat außerdem ein weiteres Opfer gebracht und sich neun Tage und Nächte an die Weltenesche Yggdrasil gehangen. Auch dieses Selbstopfer sollte ihm Weitsicht und Erkenntnis bringen. Die Äste dieses Weltenbaums breiten sich „über alle neun Welten“ aus – womit die altnordischen Mythen eine Art Multiversum beschreiben – eine sehr moderne Auffassung vom Kosmos.

 

Nicht zuletzt deshalb ist die Zahl neun in der nordischen Mythologie auch eine heilige Zahl. Prof. Dr. Egon Wamers, Leiter des Archäologischen Museums, schreibt im Begleittext zur Ausstellung: „In der nordischen Mythologie ist die Neun vielfach präsent: So hing Odin beim Selbstopfer neun Tage am Weltenbaum Yggdrasil, aus seinem Armreif Draupnir (›Tropfer‹) tropften jede neunte Nacht acht gleiche Ringe ab, neun Welten sind es bis Niflhel; der Gott Heimdal hatte neun Mütter.“ 

 

Runenstein
Runenstein (Kopie) von Stentoften. Bild: Archäologisches Museum.

Noch eine ganze Reihe weiterer Gründe führt Prof. Wamers dafür an, warum die Neun den Nordleuten heilig ist: „Die Zahl Neun ist die Potenz der heiligen Grundzahl Drei, ihr gemeinsames Produkt bildet die 27 Tage des Mondkalenders. Neun Monate dauert die Schwangerschaft. Die Neun ist also ein kosmologisch-kreatürlicher Zahlenwert, und sie spielte auch im Kult des Alten Nordens eine große Rolle. Schon um 600 ist die Neunzahl von Opfertieren auf dem Runenstein von Stentoften belegt und wird noch um 1018 von Thietmar von Merseburg für das große Opfer am altdänischen Königssitz Lejre und um 1075 von Adam von Bremen für das Gemeinschaftsopfer der Svea in Uppsala genannt. Die Opfer selbst fanden alle neun Jahre statt und dauerten neun Tage. In Lejre wurden auch Menschen geopfert.“

Donnergott Thor und sein geschmiedeter Hammer

Thorshammer
Thorshammer Amulett aus Tissø. Bild Archäologisches Museum.

Thietmar von Merseburg war Bischof von Merseburg, und auch als Geschichtsschreiber tätig. Adam von Bremen, den Wamers zitiert, ist ebenfalls Kleriker und ein bekannter Chronist des Nordens. „Über die Götter der Wikingerzeit berichten überwiegend christliche Autoren des Mittelalters. Neben männlichen und weiblichen Göttern gibt es (demnach) Riesen, Elfen und Zwerge. Die Götter sind miteinander verwandt, leben in einer eigenen Weltzone (Asgard) und gebärden sich wie Menschen. Sie symbolisieren aber eine kosmologische Ordnung, die sie gegen Chaos-Mächte wie Riesen und Untiere verteidigen. Am Ende der Zeit gehen sie im Endkampf Raknarök unter. Ähnlich wie im griechischen Pantheon erzählen die Mythen von einem bunten Leben und Treiben der Götter.“

Der Gott Thor (Odins Sohn) ist für das allgemeine Gedeihen des Landes und die kosmische Ordnung zuständig. Thor – der Gott mit dem Hammer - ist ein alter, gemeingermanischer Wetter- und Vegetationsgott. Als Sohn Odins kämpft er gegen die Chaosmächte der Riesen und die Midgardschlange, was in mehreren Mythen erzählt und auf Steindenkmälern abgebildet wurde, schreibt Prof. Wamers.

 

„Seine Attribute waren der von Zwergen geschmiedete Hammer Mjölnir, wahrscheinlich eine archaische Blitzwaffe, sowie zwei Böcke, die seinen Wagen zogen. Aus Skandinavien und England sind zahlreiche Miniaturamulette in Hammerform bekannt, die überwiegend von Frauen getragen wurden. Vermutlich galten sie als Fruchtbarkeitssymbol. Den Orts- und Personennamen nach zu urteilen, war Thor bei der bäuerlichen Bevölkerung der beliebteste Gott, der für gutes Wetter und allgemeines Gedeihen sorgen sollte.“

Freyja – Göttin der Liebe und der Lust

Freyja-Figürchen aus dem wikingerzeitlichen Residenzbereich Tissø. Bild: Archäologisches Museum.
Freyja-Figürchen aus dem wikingerzeitlichen Residenzbereich Tissø. Bild: Archäologisches Museum.

Die Göttin Freyja wird in den Texten zur Ausstellung „die schöne Freyja“ genannt. Sie war die Göttin der Schönheit, der Liebe und auch der Familie. Den Texten zufolge galt sie „als bedeutendste Göttin der wikingerzeitlichen Mythologie. Begehrt von Göttern und Riesen repräsentierte sie Liebe und Lust. [...] Freya fuhr in einem von Katzen gezogenen Wagen, ähnlich der orientalischen ‚Herrin der Tiere‘, die von Raubkatzen begleitet wurde. Sie trug den ‚glänzenden‘ Brustschmuck Brísingamen und ein Falkengewand.“

 

Auch in diesen Attributen, den Raubkatzen und dem Falkengewand, steckt möglicherweise wieder ein Hinweis auf die Hochkultur im  Schwarzmeerraum bzw. der Ägäis, aus der die nordische Mythologie nach der großen Flut von 7500 v. d. Ztr. ausgewandert sein dürfte.  

 

„Wikingerzeitliche Frauenfigürchen zeigen Freyja mit dem charakteristischen Gestus der antiken Liebesgöttin Aphrodite, die sich, dem Meer entstiegen, das Haar auswringt.“ Das Figürchen aus Tissø „erinnert mit seinen schräg gestellten Augen und spitzem Mund an eine Katze. Ihre Brust ziert ein prächtiges Schmuckstück, und sie ist von einem weiten, gefiederartigen Gewand umhüllt“, schreibt Prof. Wamers.

Die Pflicht der Könige, religiöse Rituale vor dem Volk abzuhalten

„In der Wikingerzeit wurden um die Königshöfe herum saisonale Feste abgehalten. Menschen aus Nah und Fern ließen sich auf dem Areal der Residenzen für eine kürzere oder längere Zeit nieder. Bei diesen Gelegenheiten wurden Märkte abgehalten und gesellschaftliche Ereignisse begangen, darunter sicher auch Verträge und Heiratsvereinbarungen. 

 

Auch politische Diskussionen und Rechtsstreitigkeiten fanden hier statt. Anscheinend bestand ein wesentlicher Teil der königlichen Aufgaben darin, diesen Versammlungen Raum und Schutz zu gewähren. Die Versammlungen waren sowohl gesellschaftlich-politischer wie auch religiöser Natur...Skandinavische Könige waren verpflichtet, religiöse Rituale in Gegenwart der Volksversammlung abzuhalten. Dabei konnte es sich um Opfer und Gaben für die heidnischen Götter Odin, Thor oder Freyja handeln. Weigerte er sich, konnte das Volk ihn vom Thron stürzen und einen neuen König wählen.“ 

Architektonische Inszenierungen der Residenz-Hallen des Wikinger-Adels

Durch die Ausgrabungen in den vergangenen Jahren weiß man nun, wie eine Königsresidenz der Wikinger ausgesehen hat, nämlich die von Tissø. An diesem See im Westen der Däneninsel Seeland (Hauptort Kopenhagen) sind die Spuren der wikingischen Königsresidenz und eine naturgenaue Rekonstruktion zu besichtigen.

 

Im Katalog-Text heißt es: „Die großen Residenz-Hallen von Tissø waren gewaltige Pfostenbauten mit gebogenen Längswänden, äußeren Stützpfeilern, und mit gewölbtem Dach – vergleichbar einem Schiff kieloben“ heißt es in der Beschreibung des Ausstellungskatalogs.  „Die lehmverkleideten Flechtwände waren innen und außen weiß gekalkt, ähnlich kontinentalen Steinbauten. Hier wurde der älteste Kalkbrennofen des wikingerzeitlichen Skandinaviens ergraben. Die Konstruktion der Hallen konnte an den Brandspuren des älteren Baus von Bulbrogård gut rekonstruiert werden. Die Tragpfosten für das Dach bestanden aus schweren, 100 Jahre alten Eichenstämmen; die Türpfosten waren geradezu überdimensioniert. Zahl und Fundamentierung der Pfosten lassen auf eine imposante Höhe der Halle schließen.“ 

 

Die architektonischen Inszenierungen dieser Bauten erfolgen in der Ausstellung des Frankfurter Museums in natürlicher Größe. Sie sind spektakulär und wahre Glanzlichter der großen Wikinger-Schau.

Königsresidenz
Die großen Residenz-Hallen von Tissø waren gewaltige Pfostenbauten mit gebogenen Längswänden, äußeren Stützpfeilern, und mit gewölbtem Dach – vergleichbar einem Schiff kieloben. Bild: Archäologisches Museum.

Videoanimation des Königssitzes am Tissø: https://www.youtube.com/watch?v=Q7YXqxSJN5s

 

Weitere Informationen:

 

Archäologisches Museum Frankfurt 
Karmelitergasse 1 
60311 Frankfurt 
Telefon: 069 21235896 
Internet: www.archäologisches-museum.frankfurt.de

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0