Neues vom Heidenschwanz: Wie der Tauberschorsch seinen letzten Gang antrat

Der fränkische Tauberschorsch
- Der fränkische Tauberschorsch ist die Vorlage für den geheimnisvollen Uraler, der mehr als hundert Jahre auf dem Heidenpfad der großen Wasserscheide wanderte, die sich zwischen Spanien und Russland quer durch den Kontinent erstreckt.

Seine Geheimnisse für ein starkes Leben haben schon Tausende Leser begeistert und nachdenklich gemacht. Der fränkische Tauberschorsch ist die Vorlage für den geheimnisvollen Uraler, der mehr als hundert Jahre auf dem Heidenpfad der großen Wasserscheide wanderte, die sich zwischen Spanien und Russland quer durch den Kontinent erstreckt. Friedrich Georg Wick hat im Sommer des Jahres 2008 die Geschichte vom Heidenschwanz aufgezeichnet. In dessen Lederband, das der Uraler ein Jahrhundert lang getragen hatte, sind sie eingeprägt. 

Jetzt ist ein neuer Bericht bekanntgeworden: „Wie der Tauberschorsch seinen letzten Gang antrat“. Der Tauberschorsch, dieses fränkische Original aus dem Markt Flachslanden/Mittelfranken ist vor 57 Jahren gestorben: Laut Standesamtsregister der Gemeinde am 26. Januar 1957 um 21.00 Uhr. Es war eine kalte Nacht, die Temperatur sank auf fast minus sechs Grad Celsius. Am Morgen wurde die Leiche des Verstorbenen in einen schwarzen Sarg gelegt, der mit Hobelspänen ausgepolstert war. Der jüngere Sohn des örtlichen Schreinermeisters, dem auch die  „Leichensache“ oblag, schildert,  wie der Tauberschorsch damals vor Jahrzehnten seinen letzten Gang antrat:

Von Klaus Bodächtel

„Wie Du ja sicher weißt, habe ich das Schreinerhandwerk im elterlichen Betrieb erlernt, weil mein Vater es so wollte, nicht ich. Der Schreiner war (ist) auf dem Land auch der Bestatter. Die Särge wurden früher in der Werkstatt handgefertigt und auf dem Dachboden gelagert und bei Bedarf verziert und ausgestattet.

 

Ich war damals im ersten Lehrjahr, 16 Jahre alt, als uns, meinen Bruder und mich, mein Vater eines Sonntagmorgens zeitig aus dem Bett holte mit den Worten: ‚Aufstehen, der Tauberschorsch ist gestorben, ihr müsst einen Sarg fertig machen!‘ Ich hatte noch gar nicht richtig ausgeschlafen, weil ich in der Nacht spät vom Tanzen nach Hause gekommen war.

Der Gedanke, einen Toten einzubetten, noch dazu den Tauberschorsch, der nicht besonders auf Reinlichkeit bedacht war, löste in mir tiefste Abneigung aus. Aber jede Widerrede war zwecklos. 

Mein Bruder und ich haben den schwarz eingefärbten Sarg noch mit silbernen Borden versehen, mit Hobelspänen aufgefüllt und ein Sargtuch darüber gebreitet. 

Auf einer Trage transportierten wir dann den Sarg von der Werkstatt zur Wohnung des Verstorbenen. Er hatte seine letzte Bleibe bei der Familie des Schmieds Friedrich Schmidt am Marktplatz gefunden. 

Als wir beide mit unserer Trage am Sonntagmorgen auf den Marktplatz einbogen, saß unser Freund Helmut auf der Bank vor dem Haus und genoss die ersten Sonnenstrahlen des jungen Tages. ‚Wo geht ihr hin? ‘ war seine Frage. ‚Der Tauberschorsch ist gestorben‘, gaben wir Auskunft. ‚Da geh ich mit‘ sagte Helmut. Wir waren froh. ‚Gottseidank‘, hatte ich im Stillen gedacht, ‚einer mehr, der zupacken kann‘. 

Wir haben dann unsere Trage vor dem Haus abgestellt und den Sarg in den oberen Stock getragen. Die Türe vom Zimmer des Toten war geschlossen und von außen mit Kalkfarbe weiß gestrichen, während die anderen Türen das Hauses alle ordentlich mit Ölfarbe lackiert waren. Als wir drei mit unserer Last in das kleine Zimmer eintraten wurden wir bereits von der Leichenfrau erwartet. Entgegen den Gerüchten im Dorf war der Raum aufgeräumt und keine Unordnung festzustellen, so wie ich es mir in meiner Phantasie vorgestellt hatte. Ein besonderer Geruch, wie der Tauberschorsch – ein leidenschaftlicher Schnupfer - ihn zu verbreiten pflegte, war ebenfalls nicht festzustellen. Der Verstorbene lag auf seinem Bett als würde er schlafen. Mit schelmenhaften Gesichtszügen, so wie wir ihn kannten, hat er das Erdendasein verlassen. In seinen Augen war noch ein Leuchten zu erkennen, als wollte er sagen: ich habe ein erfülltes Leben hinter mir, ich habe die ganze Welt gesehen, ich bin glücklich. 

Das Einsargen war dann nur noch Routine. 

Im Nachhinein war ich ein wenig stolz, dem Sonderling auf seinem letzten Weg behilflich gewesen zu sein.“

Heidenschwanz
Der Heidenschwanz - das Buch
Tauberschorsch - Porträt W. Stör
Der Tauberschorsch, Porträt von Wilhelm Stör. Das Bild hängt im Gasthof "Zum wilden Mann" zu Flachslanden/Mfr., in dem der Tauberschorsch einst geboren wurde.

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