Der Mensch lebt nicht vom Hirn allein

Kann das Gehirn eines Lachses Menschen erkennen?  Ist dies durch die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT)am Lachshirn bewiesen worden? Hat das Meerestier auf Bilder „von Menschen im sozialen Umgang“ reagiert und wurde dies im Hirnscan bewiesen?

Natürlich nicht, möchte man sagen. Aber eine solche Beweisführung wurde in einer Versuchsanordnung schon einmal quasi versucht, um zu zeigen, dass die Neurowissenschaften, die Hirnforschung in ihrer Jagd auf Sensationen vor gar nichts  zurückschrecken.

 

Felix Hasler gegen Neuroarroganz

 

Der Psychopharmakologe Felix Hasler hat im Interview mit Spiegel Online dieses Beispiel genannt, um auf Missstände hinzuweisen  (http://bit.ly/T1BHiu). Er führt aus: „Forscher legten einen Lachs in einen MRT-Scanner und zeigten ihm Bilder von Menschen im sozialen Umgang, so wie es in Studien der ‚sozialen Neurowissenschaften‘ typischerweise gemacht wird. Die Psychologen fanden in ihrer fMRT-Studie tatsächlich ein paar ‚blobs‘, Regionen mit erhöhter Aktivität im Lachsgehirn. Der Witz dabei: Der Lachs im Scanner war tot.“

 

Der Lachs des Zweifels

 

Als  „Salmon of Doubt“, „Lachs des Zweifels“ ist diese Aktion in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Hasler: „Die Forscher konnten in ihrer Persiflage zeigen, dass man immer etwas findet, wenn man es unterlässt, die statistischen Daten in einer bestimmten Art und Weise zu korrigieren.“

 

Zwar fühlten sich einige Wissenschaftler „ertappt“, wie Hasler sagt. Die Lachsstudie habe bewirkt, dass nun diese Korrektur „fast immer“ gemacht werde. Solche „experimentelle Selbstironie“ sei „sehr heilsam.“

 

Das Gehirn ist kein Sonderorgan

 

Dennoch sei die „Neuroarroganz“, die Überheblichkeit der Hirnforscher insgesamt ungebrochen. Das sagt Hasler im Spiegel-Gespräch aber auch in anderen Medien (z.B. in http://dasgehirn.info/aktuell/foxp2/felix-hasler-ueber-neuroarroganz-2013-1-7970/). Immer wieder würden Neurowissenschaftler das Gehirn „als Sonderorgan“ betrachten und aus ihren bunten Hirnscans „gewaltige Schlussfolgerungen“ ziehen, die „völlig überzogen“ seien.

 

Hasler macht auch deutlich, dass fMRT kein Abbildungsverfahren ist, sondern ein Herstellungsverfahren. Es werde also nichts, was im Gehirn vorgeht fotografiert und das Bild dann gezeigt. Sondern man stelle die Scanbilder aus ermittelten Daten auf dem Computer selbst her. Da würden dann angebliche „Netzwerke der Liebe“ oder „der Gotteserfahrung“ ermittelt, die bei Kontrollversuchen niemand finden könne. Die Ergebnisse seien nicht reproduzierbar und wissenschaftlich mehr als fraglich.

 

Welterklärungsansprüche der Hirnforscher

 

„Neuroglamour“ und „Neuromythologie“ nennt Hasler die fragwürdigen Behauptungen aus der Veröffentlichung von Hirnscans der fMRT. Neurospekulation oder Neuroschwindel wäre in manchen Fällen möglicherweise auch nicht zu hoch gegriffen

 

„Einige Hirnforscher reklamieren umfassende Welterklärungsansprüche, dabei sind ihre empirischen Daten zu komplexen Bewusstseinsvorgängen kaum belastbar“, so Hasler im Spiegel. Die Öffentlichkeit lasse sich noch immer „gerne vom Neuroglamour blenden“.

 

Aber die kritischen Stimmen mehren sich, das berichtet Hasler auch. Allein in Berlin habe es „in den letzten drei Jahren ein halbes Dutzend hirnforschungskritische Tagungen“ gegeben.  Die Neurowissenschaft „sollte sich  „von ihren überzogenen Welterklärungsansprüchen“ verabschieden, fordert Hasler. Sie bekomme durch ihr Auftreten „ein Glaubwürdigkeitsproblem“.

 

Neben Ich - wir sind viel mehr als Hirn 

 

Vielleicht wäre ja geholfen, wenn die Wissenschaft vom Menschen nicht mehr derart in Kästchen aufgeteilt würde. Der Mensch besteht - so wenig wie andere Lebewesen auch - nicht nur aus Gehirn. Den maximal 1,5 bis zwei Kilo Hirnmasse beim Menschen entsprechen ca. 2,5 Kilo Bakterienmasse. Egal welche der beiden „Massen“ ein Mensch auch verlöre, er wäre tot.

 

In meinem Buch „Neben Ich. Wieviele sind wir wirklich?“ habe ich auf rund 400 Seiten diese Gegebenheiten dargestellt und die Zusammenhänge hinterfragt. „Sind wir immer dieselben?“ – „Gibt es nur ein Ich?“ – „Herrscht unser Gehirn?“ -  „Haben wir ein Zentrum?“ – „Stimmen wir überein?“  bis hin zu „Fühlen wir weiter als wir denken?“ und „Wo befindet sich Ich im Kosmos?“.

 

Einer der knappsten und treffendsten Leserkommentare lautet: „Alles Fragen, welche wir glauben, aus dem „FF“ beantworten zu können…“

 

Buchinformationen: „Neben Ich. Wieviele sind wir wirklich?“ von Hans Georg Wagner, Eurasischer Verlag, Altomünster 2012, 404 Seiten, 19,90 Euro, ISBN-13: 978-3-935-16204-3.

Bestellmöglichkeit im Buchhandel oder: www.starkesleben.de  

Rezension:  http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20121017

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