Wenn das Gehirn zuerst stirbt

Alzheimer sieht man nicht. Jedenfalls lange nicht. Als der ehemalige Fußballprofi und Schalker Sportfunktionär Rudi Assauer seine Krankheit bemerkte, wirkte er noch immer wie im Werbestreifen für die Veltins Bier-Reklame mit Simone Thomalla. Sie erinnern sich: „Nur gucken, nicht anfassen!“ (YouTube http://www.youtube.com/watch?v=WxI6pfqZJB0.)

 

Aber sehr wahrscheinlich waren schon zur Zeit der Aufnahme dieses Werbefilms die Hirnzellen Rudi Assauers längst nicht mehr die, die sie früher einmal waren. Der Zerstörungsprozess hatte wohl da schon begonnen. Er verläuft zunächst schleichend und beginnt im Innern der Zellen, dort wo die Energie für ihre Aktivität erzeugt wird.

 

Gehirnzellen sind nur etwa zehn bis 50 Mikrometer groß. Damit sind sie rund 100 mal winziger als die Dicke eines Haares oder eines Blatt Papiers. Und trotz dieser Winzigkeit arbeiten in ihnen bis zu tausend noch winzigerer Kraftwerke. In jeder einzelnen Gehirnzelle tausend!

 

Weder sie noch die Kraftwerke in ihnen sind für das menschliche Auge sichtbar. Zellkraftwerke sind unvorstellbar klein. Bei ihnen handelt es sich um noch immer halbautonome ehemalige Bakterien. Wir nennen sie Mitochondrien. Diese sind verantwortlich für die Produktion der Lebensenergie in den Gehirnzellen aber auch in allen anderen Körperzellen.

 

Unser Körperkonglomerat ist aus rund 10 Billionen einzelner Zellen zusammengesetzt. In jeder arbeiten hunderte von Mitochondrien. Insgesamt geht die Zahl der Minikraftwerke, die uns am Leben erhalten, also in die Billiarden.

 

Wenn sie altern, wenn die Mitochondrien im Gehirn geschädigt werden, vergessen ehemals kraftstrotzende Menschen, wer sie waren und was sie sind. Rudi Assauer hat sich zurückgezogen wie der Schauspieler und ehemalige US-Präsident Ronald Reagan, als er merkte, was mit ihm geschehen würde. Gunther Sachs, Lebemann, Millionenerbe, leidenschaftlicher Fotograf erschoss sich, als er die Diagnose Alzheimer vernahm - solange er noch wusste, wie man ein Gewehr bedient.

 

In meinem Buch „Neben Ich. Wieviele sind wir wirklich?“ habe ich auf 30 Seiten dieses faszinierende Innenleben unserer Zelle und die Energieerzeugung in den bakteriellen Minikraftwerken hinterfragt und dargelegt. Dazu habe ich die berühmtesten Mitochondrienforscher und die neuesten Erkenntnisse der Alzheimerforschung zitiert.

 

Heute konnte ich Prof. Konrad Beyreuther zur Bedeutung der Mitochondrien bei Alzheimer befragen. Er ist Gründungsdirektor des Netzwerkes AlternsfoRschung (NAR), lehrt und forscht an der Universität Heidelberg. (http://www.nar.uni-heidelberg.de/service/int_beyreuther2.html).

 

Er bestätigt das, was ich aus Veröffentlichungen der „Hirnliga“ und von Mitochondrienforschern über die zentrale Bedeutung der Mitochondrien-Kraftwerke in den Hirnzellen für die Entstehung von Alzheimer wiedergegeben habe:   „Mitochondrien altern, da sie aufgrund ihrer hohen Stoffwechselaktivität ihr Genom mit den dabei freigesetzten aggressiven Sauerstoffmolekülen (Radikalen) permanent schädigen. Die metabolisch besonders aktiven Bereiche des Gehirns (default memory) sind auch die ersten Bereiche, die bei der Entstehung der Alzheimer Krankheit Defizite entwickeln.“

 

 

 

 

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